100 Jahre August-Euler-Flugplatz Griesheim

18.01.2009 PSEN
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Am 30. und 31. August 2008 feierten die Stadt Darmstadt, deren Technische Universität und die Stadt Griesheim den 100. Geburtstag ihres Flugplatzes.

Am 30. und 31. August 2008 feierten die Stadt Darmstadt, deren Technische Universität und die Stadt Griesheim den 100. Geburtstag ihres Flugplatzes. August Euler gründete vor genau hundert Jahren hier seinen Flugplatz, damals eine Ecke des Sandbodens des kaiserlichen Truppenübungsplatzes, um Flugapparate zu bauen und Interessenten das Fliegen zu lehren. Euler selbst war Besitzer der deutschen Fluglizenz Nr.1, er brachte die Behörden dazu, sich von Amts wegen mit der Fliegerei zu beschäftigen. Selbst eine rührige Unternehmerpersönlichkeit, erkannte er schnell durch seine guten Kontakte nach Frankreich, was sich dort Neues am Himmel abspielte und beschloss sofort, auch in Deutschland Flugapparate zu bauen. Aber dazu mußte er erst einmal selbst fliegen lernen.

Bf 108 Der Lufthansa
Bf 108 der Lufthansa

Kurzentschlossen kaufte er in Frankreich einen Voisin Doppeldecker komplett mit Motor für stolze 30.000 Goldmark als Bausatz und suchte nun eine stille Ecke, wo er den Apparat zusammenbauen und erste Flugversuche damit durchführen konnte. So kam er nach langem Suchen nach Griesheim. Wie die Sache weiter ging und welche Pionierrolle August Euler für die deutsche Luftfahrt spielte, ist Geschichte. Beim ersten internationalen Flugwettbewerb 1909 in Berlin-Johannisthal um den Lanzpreis der Lüfte versuchte auch August Euler als deutscher Teilnehmer mit seinem ersten Eigenbau zu starten, vergeblich. Er kam nicht vom feuchten Boden los und die 30.000 Zuschauer sangen: „ August lass det Fliegen sein, es ist zu schwer für dir...“

Das Wetter versprach am letzten Augustwochenende sommerlich zu werden, so beschliesse ich kurzer Hand nach Griesheim zu fahren und mir die ganze Sache anzuschauen. Knapp 45 Minuten auf der A5 und schon bin ich an der Ausfahrt Griesheim und zehn Minuten später auf der Flugplatzstrasse. Die letzten Meter zu Fuß, dann die erste große Überraschung: Der Eintritt ist frei! Es ist noch morgens und außer Helfern und ein paar frühen Gästen noch nicht viel zu sehen. Auf dem Abstellplatz stehen lediglich die beiden AT-6 „Texan“ vom „Red Bull Team“. Plötzlich ein Motorgeräusch, der erste Gast fliegt ein, die Bf 108 Taifun der Messerschmitt-Stiftung setzt zur Landung an, rollt aus und wird in die Parkposition gewunken. Auf der anderen Seite des Platzes werden Motoren angelassen, es kommt Leben in die Veranstaltung. Ein Schleppverband nähert sich. Die Do 27 zieht ein feuerrotes Dreieck über den Platz, die Me 163 der Messerschmitt-Stiftung.

Die Ju 52 ist gelandet

Langsam füllt sich der Zuschauerbereich. Viele junge Familien sind da und natürlich die alten Haudegen, die förmlich darauf lauern, angesprochen zu werden, weil sie vor Mitteilungsdrang fast bersten. Ein lautes Dröhnen erfüllt die Luft. Die Ju 52 der Lufthansa schwebt nach einer majestätischen Platzrunde ein. Die Rundflüge sollen schon im Vorfeld trotz ihres Preises von 120 Euro fast ausverkauft gewesen sein. Andererseits, eine Tankfüllung kostet mittlerweile auch fast 100 Euro, warum dann nicht für 120 Euro eine halbe Stunde mit der Ju52 über Darmstadt kreisen? Die Ju ist gelandet und die Ehrengäste haben die Maschine verlassen, am Abfertigungspunkt bildet sich eine Schlange. Trotz aller Unkenrufe, die Flugbegeisterung der Menschen ist ungebrochen. Das Interesse ist riesig und ehrlich gesagt: Wann hat man auch als Fachmann schon einmal die Gelegenheit etwa 100 flugfähige historische Flugzeuge auf einem Haufen zu sehen?

Die nächsten Gäste schweben ein, wieder sind es Messerschmitt Bf 108, die Traditionsmaschine der Lufthansa, die „Elly Beinhorn“ und die im strahlenden Messerschmitt-blau leuchtende Maschine aus Bad Nauheim, für mich die schönste 108, weil sie das ist, was sie eigentlich sein sollte, ein zeitlos elegantes Reiseflugzeug. Und das, obwohl die „alte Dame“ schon 62 Jahre auf dem Buckel hat. Es wird wieder unruhig, die Ju hat abgehoben und ein neuer Besucher nähert sich im langsamen Sinkflug der Landebahn. Er scheint förmlich in der Luft zu stehen, dann setzt er auf und nach 50 m hat er bereits ausgerollt. Der Fieseler Storch hat wieder einmal gezeigt, was STOL wirklich bedeutet. Ich lasse mich in der Menschenmenge treiben, es müssen Tausende sein.

Messerschmitt M-17

Man bietet Führungen durch das TU Gelände an, mit Besichtigung des großen Windkanals. Das darf ich mir nicht entgehen lassen, zumal man dort sonst keinen Zugang erhält. Es ist sowieso ein Glücksfall, dass der Flugplatz wieder zugänglich ist, bis vor fünf Jahren residierte hier noch die US Army und das gesamte Gelände war mit Stacheldraht abgeriegelt. Aber seit dem Abzug der Amerikaner hat die TU Darmstadt das Gelände in Besitz und entwickelt Konzepte für die zukünftige Nutzung, auch ein kleines Luftfahrtmuseum soll entstehen, Einen Förderverein gibt es schon. Im Windkanal hat man für Untersuchungen für Airbus ein Modell aufgebaut. Die Besucher drücken sich die Nasen an den Scheiben platt. Eine Stunde Windkanaluntersuchung kostet 10.000 Euro erklärt ein Mitarbeiter.

Ich gehe weiter, der Windkanal, einst der größte Unterschallwindkanal Europas, stammt von 1933, als hier die DFS unter Professor Georgij ihre Grundlagenversuche an diversen Profilformen durchführte.
Dank des Denkmalschutzes schaut auch noch der Reichsadler von der Backsteinwand auf die Besucher, nur das Hakenkreuz hat man ihm aus den Krallen geschlagen. Zurück zum Flugplatz, ich muß mich beeilen, denn eine der Sensationen steht an, ein Bleriot-Eindecker von 1909 soll im Flug zu sehen sein. Die Maschine kommt aus Schweden und hat noch den Original-Umlaufmotor von 1909 und fliegt ohne Ruder, nur durch Verwinden der Tragflächenenden gesteuert.

Die Bleriot fliegt

Kaum habe ich einen halbwegs guten Platz gefunden, kommt auch schon in etwa 30m Höhe die Bleriot angeschwebt. Sie fliegt eine ausgedehnte Ehrenrunde, steigt etwas und fliegt nun mehrere Achten über dem Flugfeld, dabei winkt der Pilot den begeisterten Menschenmassen zu, die winken zurück, rufen und schwenken die Mützen und Sonnenhüte. So muß es 1909 gewesen sein, als alles anfing. Der Motor der Bleriot spuckt zwei dreimal, dann hat er sich wieder beruhigt. Nach fünf Minuten setzt die Maschine zur Landung an und rollt aus. Der Beifall will kein Ende nehmen. 100 Jahre Flugplatz August Euler in Griesheim und eine 99 jährige wird zum Star der Festlichkeiten.

Ich gehe weiter zu den abgestellten Maschinen, die fast alle noch in die Luft gehen werden, drei Focke Wulf Fw 44 Stieglitz sehe ich, die Bücker-Familie zählt gut das Vierfache, zwei de Havilland Tiger Moth, und zwei Udet U-12 „Flamingo“, eine Yak-18, eine Messerschmitt M17 mit Originalmotor, sonst ein Nachbau für die Messerschmitt-Stiftung, eine eher seltene ERCO 415 D, eine Grob G109, eine Cessna „Caravan“, mehrere Piper pA-18, eine Zlin 526, ein Sikorsky S58 und ich bin noch längst nicht am Ende. Bei der Me 163 verweile ich länger. Hier ist sie nur als großartiger Segler zu sehen, die Gleitzahl soll bei über 25 liegen. Auf den Einbau eines Walther Raketenmotors hat man wohlweislich verzichtet. Die Maschine sieht elegant und modern aus. Die meisten Zuschauer wissen nichts damit anzufangen und tippen auf ein Modell aus irgendeinem Fantasy-Film.

Me 163
Me 163

Bei den Segelfliegern sieht es ähnlich aus: Das Segelflugmuseum von der Wasserkuppe in der Rhön hat eine ganze Sammlung historischer Segler mitgebracht, die auch noch an den Start gehen werden.
Ich bewundere immer wieder die zeitlose Eleganz dieser Maschinen, die meist auch schon 70 Jahre auf dem Buckel haben. Was gibt es Schöneres, als den Möven-ähnlichen Knickflügel eines „Rhönbussards“ oder eine wohlgeformte „Olympia Meise“? Gleich daneben doch 70 Jahre jünger, stehen die neuen Superorchideen, die hier in Darmstadt bei der „Akaflieg“ aus Kohlefasern, Epoxydharzen und anderen Flüssigkunststoffen gebaut werden.

Dann beginnt die Vorführung des ersten Motorseglers mit Elektromotor, der die staatliche Betriebserlaubnis erhalten hat. Der Motor leistet beachtliche 56kW und wird durch Spezialbatterien, die nicht mehr die hohe Masse vorheriger Batterien haben, angetrieben. Die Kapazität erlaubt einen ununterbrochenen Motorflug von 45 Minuten, wobei noch 15 Minuten Reservezeit dazu kommen. Das ist eine Entwicklung, die in die Zukunft weist und vor allem umweltfreundlich ist. Apropos Umwelt, das Flugplatzgelände ist Naturschutzgebiet, denn hier in der kargen Sandlandschaft gibt es Tier- und Pflanzenarten, die vom Aussterben bedroht sind, wie zum Beispiel der Steinschmätzer, der Wolfmilchschwärmer oder das Blauschillergras.

Der Pilot in der M17

Inzwischen ist die Bleriot an ihrer Parkposition angekommen und ich kann mit dem Besitzer und Piloten, oder eher, nach August Eulers ersten Fluglizenz, dem Flugmaschinenführer, Mikael Carlson ein paar Worte wechseln. Der Motor, ein 7 Zylinder-Gnome-Umlaufmotor ist wirklich Baujahr 1908 und wird seit nunmehr hundert Jahren mit Rizinusöl geschmiert, wovon er für die 10 Minuten der Flugvorführung immerhin fast 2 Liter verbraucht. Ansonsten ist an der Maschine nicht mehr viel Originales, die Teile wurden alle akribisch nachgebaut und ausgetauscht. Fertig geworden sei er damit erst 2005, erzählt der Schwede, während er mit einem Öllappen seine Spanndrähte säubert.

Er möchte noch eine Bleriot bauen, sagt er, aber es gäbe keine Originalmotoren mehr und die nachzubauen sei fast unmöglich. Er hat noch eine zweite Maschine mit nach Darmstadt gebracht, eine in Schweden in Lizenz gefertigte Focke Wulf Fw 44 „Stieglitz“. Später wird er etwas Kunstflug damit zeigen, sagt er, aber vorsichtig, denn die „Stieglitz“ gehört eigentlich seiner Frau. Gleich neben der Bleriot wird nun die M17 zum Start fertig gemacht, der Pilot, ich schätze ihn auf mindestens 1,85m Körperhöhe, schiebt sich einem Schlangenmensch gleich in den hinteren Sitz. Er hebt die Hand, der Propeller wird angeworfen und tuckert brav los. Heute hat manches Motorrad mehr PS, aber nach kurzem Rollen ist das Maschinchen in der Luft und zeigt seine Fähigkeiten.

Fw44 Stieglitz

Ein Spielzeug für Leute, die sonst schon alles haben, gibt es auch, eine Focke Wulf Fw 190 A-4 im Maßstab 1:2, perfekt mit Einziehfahrwerk und voller Kriegsbemalung und unter dem Rumpf hängendem Zusatztank. Der trägt die Aufschrift: „ Achtung keine Bombe“. Das beruhigt mich und ich gehe weiter. Mittlerweile ist kaum noch ein Vorwärtskommen möglich. Ich schätze auf mindestens 15.000 Menschen. Die „Red Bulls“ beginnen ihre spektakuläre Show, mit allen Elementen, die guten Mannschaftskunstflug ausmachen. Wie alle um mich herum, bin auch ich begeistert, besonders vom Sound der Pratt&Whitney Sternmotoren.

Die Show ist vorbei, ich will langsam wieder nach Hause aufbrechen, als die Jak-55 ihr Kunstflugprogramm startet. Auch hier Kunstflug vom Feinsten, Trudeln, Rollen, Loopings, Immelmanns, alles, was das Herz begehrt. Trotzdem mache ich mich auf dem Heimweg. Ein wunderschöner Tag geht zu Ende. Danke an August Euler, dass er gerade hier seine Fabrik und seine Fliegerschule vor 100 Jahren eingerichtet hat. Dank aber auch an die Veranstalter und die vielen Helfer, es ist heute sicher nicht einfach, eine solche Flugschau zu organisieren und durchzuführen. Schön wäre es, wenn es so etwas bald wieder gäbe und man nicht erst auf den 150. oder 200. Geburtstag des August-Euler-Flugplatzes warten muß, bis wieder eine Flugschau stattfindet. Am Montag lese ich in unserer Lokalzeitung, dass über 50.000 Besucher an den zwei Tagen gezählt wurden - wenn das kein Erfolg ist!

Yak-18
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