Verkehrshaus: Das Interview
Den Bericht über die Luftfahrtsammlung im Verkehrshaus Luzern wird auch durch ein Interview mit dem Leiter Sammlung bereichert. Henry Wydler ist Luftfahrtbegeistert seit seiner Kindheit und betreut die Luft- und Raumfahrtsammlung im Verkehrshaus seit 1970.
Am 12. August 2010 hatten Christian Nötzli und ich die Gelegenheit mit Herrn Henry Wydler vom Verkehrshaus ein Interview zu führen. Henry Wydler waltet als Vizedirektor im Verkehrshaus und ist Leiter Sammlung, neben dieser Führungsfunktion ist er auch persönlich zuständig für die Luftfahrtsammlung. Wohl keine andere Führungskraft im Verkehrshaus kennt das Museum besser als Henry Wydler, er ist bereits seit 1970 im Verkehrshaus Luzern angestellt.
Herr Wydler wie sind Sie in die Abteilung Luftfahrt im Verkehrshaus gekommen?
Ich habe an einem Wettbewerb teilgenommen, bei welchem der damalige Verkehrshausdirektor Alfred Waldis in der Jury sass. Die Aufgabe umfasste, eine Weltraumrakete zu basteln. Der erste Preis war eine Reise in die USA, um einem Saturn 5 Raketenstart beizuwohnen. Leider habe ich dabei nicht den ersten Preis gewonnen, da meine Rakete mehr den Phantasievorstellungen entsprach als der Realität. Herr Waldis fand an meiner Wikingerschiff ähnlichen Weltraumrakete Gefallen und fragte mich noch während der Ausbildung zum Grafiker an, ob ich nicht nach Luzern ins Verkehrshaus kommen möchte, um mitzuhelfen, die neue Halle Luftfahrt zu gestalten. So bin ich als Modellbauer und Grafiker 1970 ins Verkehrshaus nach Luzern gekommen.
Die Luftfahrt war also immer eine Faszination für Sie?
Ja, das kann man so sagen, ich bin in Rüschlikon bei Zürich aufgewachsen und so stellte der Sonntagsausflug zum Flughafen Kloten immer ein ganz speziell interessantes Erlebnis dar. Zu dieser Zeit war der Flughafen Zürich noch klein und man stand den Flugzeugen sehr nahe. Ich fand es jeweils spannend, den startenden und landenden Verkehrsflugzeugen zuzuschauen.
Wie sieht Ihr klassischer Arbeitstag als Vizedirektor und Verantwortlicher für die Sammlung im Verkehrshaus aus?
Der Arbeitstag gestaltet sich häufig sehr dynamisch und ist deshalb abwechslungsreich und gleichwohl muss man relativ gut strukturiert an das Tagesgeschäft gehen. Am Morgen muss ich in der Regel die Arbeiten unter den Mitarbeitenden verteilen, die am Abend vorher noch aufgearbeitet wurden und jetzt erledigt werden müssen. Danach kommen die Emails und die Post an die Reihe, hier muss wiederum das Wichtigste vom Dringenden unterschieden werden und eine vernünftige Triage erfolgen. Häufig sind Besprechungen angesagt, ein offenes Ohr und Zeit für die Mitarbeiter muss auch eingeräumt werden. Als Verantwortlicher für die Sammlung arbeitet man stark an der Zukunft des Museums, diese Arbeit ist sehr spannend und begeisternd, aber auch mit harter Knochenarbeit verbunden. Ruhe kehrt erst dann ein, wenn die meisten Mitarbeitenden in den Feierabend gegangen sind. Jetzt hat man wieder Zeit für die Arbeiten, die man sich für heute auch noch vorgenommen hat.
100 Jahre Luftfahrt in der Schweiz, was verbinden Sie damit?
Das sind in erster Linie die Leute, die hinter dieser Luftfahrt gestanden sind, die Visionäre, die einen Traum über ein Sportgerät zu einem ganz zentralen wichtigen Verkehrsmittel weiterentwickelt haben. Pioniere der ersten Stunde wie René Grandjean, die Brüder Dufaux und Walter Mittelholzer, aber auch Auguste Piccard mit seinem Höhenballon und Bertrand Piccard mit seiner Weltumrundung im Ballon, hier wurde etwas möglich, was bis anhin als unmöglich gegolten hat und erst noch mit dem ältesten Luftverkehrsmittel. Nun kommt noch das zweite Element, das sind die Einzelleistungen, welche diese Pioniere vollbracht haben, so zum Beispiel der Afrika-Flug von Walter Mittelholzer, der weit über die Landesgrenzen hinaus Anerkennung erntete. Eine weitere grosse Einzelleistung sind die beiden Ballonaufstiege in die Stratosphäre von Auguste Piccard, gefolgt von den Leistungen Bertrand Piccards aus der jüngeren Zeit. Es sind auch Firmen, die mindestens so wichtig sind wie die Pionierleistungen und viel zur Identität der Schweiz beigetragen haben. Ich denke hier hauptsächlich an die Swissair und heute auch wieder die Swiss, die auf einem guten Weg ist. Weiter denke ich an die Schweizer Luftfahrtindustrie, die Grosses geleistet hat. Pilatus mit ihrem Porter, der sogar im Ausland in Lizenz gebaut wurde. Es ist faszinierend zu sehen, wie diese Flugzuge auf der ganzen Welt ihre Dienste tun und einem in Erinnerung rufen, dass sie in der Schweiz, in Stans, gebaut wurden. Selbstverständlich ist auch die moderne PC-12 ein tolles Flugzeug. Es geht weiter in die Raumfahrt, wo die Schweizer Industrie auch ihren Teil dazu beiträgt, dass Satelliten für heutige Begriffe selbstverständliche Dinge wie die Handy-Kommunikation und sichere Wetterprognosen möglich machen.
Welches stufen Sie als bedeutendstes Ereignis in der Schweizer Luftfahrt ein?
Ich glaube nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die Swissair zögerlich von einer europäischen zu einer interkontinentalen Fluggesellschaft entwickelte, hier wurde unser kleines Binnenland an das globale Verkehrssystem angebunden. Es war eine neue Dimension des globalen Reisens, das durch die rasche Entwicklung des Luftverkehrs möglich wurde, das stufe ich als wichtigsten Meilenstein in den letzten 100 Jahren Luftfahrt ein. Die Flughafenstadt wird zur Hafenstadt.
Wie ist die Dufaux 4 ins Verkehrshaus gekommen, ist es überhaupt ein Original?
Es ist ein Original, natürlich haben die Gebrüder Dufaux an der Maschine weitergewerkelt, beim Motor handelt es sich nicht mehr um den Originalmotor, mit dem Armand Dufaux über den Genfersee geflogen ist. Die Dufaux 4 hatte damals Dr. Erich Tilgenkamp in seiner Sammlung und 1946 dem Verein Verkehrshaus Schweiz für 500 Schweizer Franken verkauft. Das Flugzeug ist neben zwei anderen Flugapparaten seit den Anfängen im Verkehrshaus ausgestellt, dazu gehört die Blériot von Oskar Bider.
Das Verkehrshaus hat eine beachtliche Luftfahrtsammlung, auf welche Sammelobjekte können wir uns noch freuen?
Drücken Sie uns die Daumen, wir stehen in Verhandlungen für ein Rolls Royce Trent 900 Triebwerk, das beim Airbus A380 verwendet wird. Damit könnten wir den Besuchern zeigen, wie das Triebwerk eines der modernsten Flugzeuge aussieht. Natürlich wäre auch ein modernes Flugzeug schön, aber hier muss man immer die Kostenrechnung machen, niemand kann heute ein Flugzeug abgeben, mit dem man noch Geld verdienen kann. Das Rumpfsegment zum Beispiel mussten wir als Modell nachbauen lassen, da ein Originalteil unbezahlbar gewesen wäre. Mit dem A109 Hubschrauber von der REGA haben wir ein grosszügiges Geschenk erhalten, das wir sehr schätzen. Die REGA gehört übrigens auch zu den Unternehmen, die in der Luftfahrt eine gute Swissness repräsentiert. Den ausgestellten Hubschrauber könnte man wieder flugtauglich machen und in Betrieb nehmen. Das ist ein weiteres Ziel unseres Museums, dass wir der Nachwelt Ausstellungsobjekte erhalten wollen, die funktionieren würden, falls man sie wieder in Betrieb nehmen möchte.
Luftfahrt ist auch Raumfahrt, was denken Sie, werden wir Menschen in den nächsten zehn Jahren auf den Mars fliegen?
Ich denke, dass die Zeitspanne zehn Jahre ein wenig zu optimistisch ist, aber ich würde meinen, dass es in einem Zeitfenster von 10 bis 20 Jahren durchaus möglich werden könnte.
Welcher Nation trauen Sie es zu?
Es wäre wohl sinnvoll, wenn man sich für eine globale Lösung durchringen könnte. Ich finde, eine solche Aufgabe sollte man als Teamwork angehen. Ich würde es nicht sinnvoll finden, wenn sich hier eine einzelne Volkswirtschaft im Alleingang profilieren möchte. In dieser Aufgabe würde ich es als schön empfinden, wenn die Nationen die Erde als Raumschiff sehen und diesen Flug gemeinsam realisieren würden.
Herr Wydler, wir danken Ihnen herzlich für das Interview und wünschen Ihnen weiter viel Freude an Ihrer faszinierenden Tätigkeit.