Technikmuseum Sinsheim
Unser Autor Eberhard Kranz hat das Technikmuseum in Sinsheim besucht und einen spannenden Bericht geschrieben.
Wie heißt es im Werbeflyer des Museums: Technik-Erlebnis-Event und die Nummer 1 in Europa, das wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Das Museum in Zahlen:
- mehr als 30.000 m² Hallenfläche und über 20.000 m² Freifläche
- über 3.000 Exponate
- davon über 300 Kfz-Oldtimer, 200 klassische Motorräder, 40 Rennautos, 20 Lokomotiven und vieles mehr
- über 60 Flugzeuge, darunter die begehbaren Zwillinge „Concorde“ und Tu-144
- IMAX 3D Kino, Museumsshop, Hotel, Airport Restaurant, Cafe und Bistro und vieles mehr
Das Museum hat an 365 Tagen im Jahr von 9-18 Uhr geöffnet.
Eintrittspreise:
Mindestens zweimal im Jahr fahre ich nach Sinsheim und immer wieder staune ich über das ungebremste Wachstum des Museums. Am Fronleichnamstag dieses Jahr war es wieder soweit: Die Sinsheim Museumstour stand an. Ein blauweißer Himmel und milde Temperaturen lockten. Auf der Autobahn A6 bekam die Begeisterung einen ersten Dämpfer, der Stau vor der Abfahrt Sinsheim betrug 6 km, aber nach reichlich 30 Minuten war es geschafft und die Abfahrt erreicht. Der nächste Schock, wohin mit dem Auto, der Parkplatz war rappelvoll, aber auch hier ging es gut. Nach zwei Ehrenrunden war eine Lücke erspäht und auch dieses Problem gelöst. Ich erstand, im wahrsten Sinne des Wortes, in einer Schlange Wartender meine Eintrittskarte und das Abenteuer Auto & Technik Museum konnte beginnen.
Ob nun wirklich die Nummer 1, das ist mir ziemlich egal, aber groß und gewaltig ist es schon, was einem hier geboten wird.
Es ist wirklich ein imposanter Anblick, den die beiden Überschallmaschinen Concorde und Tu 144 auf dem Hallendach bieten.
Beide zusammen, hat es wohl auf keinem Airport der Welt gegeben. Was sofort auffällt ist die frappierende Ähnlichkeit…, wer hat von wem?
Nachweislich war ja die Tu 144 eher in der Luft, oder kommen Ingenieure beim Lösen einer neuen Aufgabe unabhängig zu ähnlichen Ergebnissen? Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es so ist. Es gibt irgendwo ein technisches Optimum und dem nähern sich die Entwicklungen zwangsläufig an.
Beide Maschinen sind begehbar und beim näheren Hinschauen fallen auch Unterschiede auf. Auf der einen Seite robuste russische Handwerksarbeit, auf der anderen beschwingte Leichtigkeit
Ich habe mich entschieden, meinen Rundgang auf dem Flugdeck zu beginnen, wo es neben den Supersonics auch noch viele klassische Flugzeuge zu besichtigen gibt, eine DC-3, eine Il-14P, vermutlich aus ostdeutscher Produktion, eine Vickers Viscount 813, eine leuchtend orange Canberra, eine Ju 52/3m, die sich als CASA352 herausstellt, eine Il-18, eine Pembroke, eine Tu 134A und so weiter. Auf der anderen Halle steht ein Flugboot Canadair CL 215 im klassischen gelb-roten Anstrich, der berühmte Helfer bei vielen Waldbränden. Ich überlege, ob ich mich in die Schlange der Wartenden unter der Concorde einreihen soll, um einen Blick ins Innere zu werfen, lasse es dann aber. Vielleicht beim nächsten Besuch. Bei der Tu 144 das gleiche Bild, geduldig wartende Besucher.
Ich verlasse das Dach, nicht ohne einen Blick auf das fast fertige Fußballstadion zu werfen, das auf der anderen Seite der A6 entsteht, schließlich ist Hoffenheim, ein Stadtteil Sinsheims, mit der gütigen Unterstützung von Dietmar Hopp (SAP-Mitbegründer und nun Sportmäzen) in die erste Fußball Bundesliga aufgestiegen.
Wieder auf dem Erdboden zurück bewundere ich eine aufgestielte MiG 21. Der hat man eine Art dorische Säule in die Abgasöffnung gesteckt auf der sie nun gen Himmel reitet. So etwas habe ich auch noch nicht gesehen.
Aus der Distanz sieht das Hallendach mit seiner imposanten Flugzeugkulisse nur schön aus, man muß es einfach auf sich wirken lassen. Die L-39 hängt drohend im Sturzflug über dem Eingang zum Cafe, ob das wohl Übergewichtige vom Torteessen und Weißbiertrinken abhalten kann? Was schaue ich mir als nächstes an? Ich beschließe in die sogenannte Luftfahrthalle zu gehen, schließlich steht alles Fliegbare im Mittelpunkt meines Interesses. Der Eingangsbereich mit den Hauptkassen zeigt zwei wirkliche Raritäten. Erstens einen Hübner Eindecker von 1910. Ich höre schon die Frage: Hübner, nie gehört, wer war denn das? Also, Dr. Hübner war schwäbischer Brauereibesitzer und Flugzeugenthusiast. 1910 konstruierte und baute er den Eindecker, der jetzt im Eingangsbereich hängt. Den Motor hat er übrigens gleich mit entworfen und gebaut. Der Beginn des ersten Weltkriegs verhinderte weitere Flüge, so wurde der Eindecker in einer der Hallen der Brauerei eingelagert und schlichtweg vergessen. Bis irgendjemand nach 60 Jahren buchstäblich darüber stolperte. Jetzt ist die Maschine sauber restauriert und sollte eigentlich ein Blickfang sein. Die Blicke der Eintretenden richten sich aber auf die Kassen und die Preistafeln, und so wird der Hübner Eindecker zum zweiten Male übersehen.
Etwas links über dem Eingang zum Museumsshop hängt als zweite Rarität ein Mignet Himmelsfloh unter der Hallendecke. Er war so etwas wie der Urvater der Ultraleichten. Die Maschine war als Bausatz für stolze 3.000,-- Reichsmark erhältlich, der Motor kostete extra, und mit einer knappen Bauanleitung ausgestattet, konnte sich jeder seinen Traum vom eigenen Flugzeug erfüllen. Später gab es keine Zulassungen mehr, weil es zu mehreren tödlichen Unfällen gekommen war, deren Ursachen meist in dem falschen Zusammenbau lagen. In den sechziger Jahren gab es eine moderne Version mit einem Boxermotor Continental A90-12F, die „Estafette“ hieß, passender wäre „Himmelsflop“ gewesen, sie verkaufte sich nicht. Um so erstaunlicher, dass in der Autohalle ein Exemplar still vor sich hin unter der Decke hängt…
Zurück in die Flugzeug- oder besser Militärhalle: Hier gibt es manch seltsam Ding zu sehen, eine Ju 88, die in Norwegen geborgen wurde und der ein Restaurator einen gewächshausähnlichen Glasverhau an den Rumpfbug gebastelt hat, eine He 111, die stolz mit deutschen Markierungen prunkt, in Wirklichkeit aber eine CASA 2.111 ist und von deutschen Reimporten aus Spanien für die Luftwaffe ist bisher nichts bekannt. Die Focke Wulf Fw 190 A-4 ist ein schöner Nachbau von Manfred Pflumm, der selbst ein Luftfahrtmuseum in Villingen-Schwenningen betreibt, das er auch durch den Bau von Repliken bekannter Flugzeuge finanziert, von der Fokker Dr.I hat er schon fünf Stück gebaut, aber handwerklich vom Feinsten.
Der Fieseler Storch ist auch kein originaler Storch, eher ein Nachbau aus Tschechien oder Jugoslawien, aber trotzdem sehr schön und sehenswert. Die Ju 52, von denen drei Stück vorhanden sind, zwei in der Halle und eine im Freigelände, sind alles CASA 352, die Motoren verraten es.Die ausgestellte Bf 109 G-6 hat eine ebenfalls ungewöhnliche Geschichte, sie entstammt einem Bau an der TH Aachen und diente als statisches Anschauungsobjekt für künftige Ingenieure und wurde aus Teilen verschiedenster Messerschmitts 109 sowie neu angefertigten Teilen zusammengesetzt, zeigt aber, da einseitig die Verkleidung entfernt wurde, wie eng man das Blechkleid, besonders im Motorenbereich angepasst hat, maßgeschneidert sozusagen.
Nicht weit entfernt hängt der Urvater aller deutschen Jagdflugzeuge, eine saubere Replik der Fokker E.III mit echtem Oberursel-Umlaufmotor.
Der Rundgang hat mich an der MiG-15 vorbei zur F-104 G geführt, die gleich hinter einer Ju 52 an der Decke hängt, wobei sie seitlich von der Focke Wulf Fw 190 A-4 eingerahmt wird. Im vorderen Teil der Halle hängt eine De Havilland DH 112 Venom aus der Schweiz mit Haifischmaul. Was wären die deutschen Luftfahrtmuseen ohne die de Havillands aus der Schweiz, nicht vorzustellen. Und weil sie so schön sind, hängt eine zweite Venom über einem Bilderbuch-Alpenpanorama und kann von jedermann, der einen Euro in den Schlitz wirft, gesteuert werden, wobei sich auch das Panorama der Flugsituation anpasst. Phantastisch.
Eine Vampire gibt es übrigens auch und sie ist, wen wundert’s, auch aus der Schweiz. Im vorderen Hallenteil hängen noch eine de Havilland „Dove“, diesmal mit österreichischer Kennung, und eine T6 „Texan“ der RAF. Ich folge dem Hinweisschild und steige auf das Hallendach, um mir die Canadair CL 215 anzuschauen. Ich bin von der Größe des Bootsrumpfes überrascht. Man sieht eben meist nur den Überwasserteil auf den Fotos und da wirkt die Maschine viel schlanker und filigraner.
Neben der CL-215 hat man einen herrlichen Blick zu den beiden Überschallverkehrsflugzeugen auf dem gegenüberliegenden Hallendach. Die Menschenschlange, die auf Einlass wartet, hat nicht abgenommen, im Gegenteil...
Ich wechsle die Halle und gehe in die Autohalle. Auch hier gibt es Sehenswertes für Luftfahrtinteressenten. Noch einmal begegnet mir auf meinem Rundgang Dr. Hübner, der Brauereidirektor aus Mosbach: 1935 entstand sein Motorsegler „Mücke“ mit einem 18 PS Boxermotor Kroeber M4, der übrigens mit einer um die Propellernabe gewickelten Schnur angerissen wurde. Die Technik kenne ich von alten Rasenmähern. Die Maschine wurde von Dr. Hübners Sohn Walter und dem Mechanikermeister der Brauerei, Hugo Wild, geflogen. Beide hatten übrigens keine Flugausbildung, geschweige denn eine Lizenz. Und das ging und geht in Deutschland bekanntlich nicht. Die Behörden verhängten deshalb auch 1936 ein totales Startverbot für die „Mücke“ und 1938, nach dem Tode Dr. Hübners, wurde das Maschinchen in der Brauerei eingelagert, bis man es 1983 wieder entdeckte und in Kornwestheim gründlich restauriert, zu einem wahren Schmuckstück machte.
Diese Geschichten gefallen mir, es gibt einige davon.
Ein paar Segler haben es auch unter die Hallendecke geschafft. Besonders der Schulgleiter SG-38, auch „Schädelspalter“ genannt, hier in der seltenen Version mit Bootsrumpf fällt mir ins Auge, ebenso eine „Olympia-Meise“. Imposant sind die ausgebauten Rolls Royce „Olympus“ Triebwerke der Concorde, denen man ihre militärische Abstammung sofort ansieht. Ein Kracher anderer Art ist natürlich ein mit Propeller angetriebener Messerschmitt Kabinenroller von 1952, schade das der nicht mehr in Betrieb ist. Das Schauspiel hätte ich gerne gehört und gesehen.
Ich verlasse die Autohalle, ich bin am Ende meiner Aufnahmefähigkeit angekommen. Es ist einfach zu viel, was das Museum an Sehenswertem und weniger Sehenswertem bietet. Ich denke, der Leitspruch wird sein: „Wer Vieles bringt, wird allen etwas bringen“ und so soll es auch sein. Die Qual der Wahl hat letztlich der Besucher, er bestimmt was und wie gründlich er etwas anschaut. Ein letzter Blick in den Museumsshop, hier habe ich schon manches Schnäppchen erworben, und dann ab Richtung Ausgang
Viele Familien verlassen zusammen mit mir das Museumsgelände. Alle machen einen zufriedenen Eindruck, Väter sind immer noch am Erklären. Andere schauen noch einmal auf die aufgereihten Flugzeuge auf dem Hallendach und als letztes schnappe ich noch auf: „Papa, wann fahren wir wieder hierher?“
Vielen Dank, unserem Autoren Eberhard Kranz!