Das ideale Kampfflugzeug
In diesem ersten Teil können Sie lesen, wie unterschiedliche Konzepte jeweils zu einer guten Kampfflugzeuglösung führten.
Was man unter einem idealen und daher auch besten Kampfflugzeug zu verstehen hat, ist auch heute noch eine Frage der Definition und hier ist entscheidend, für welchen Zweck eine Luftwaffe das zukünftige Flugzeug einsetzen will. Das geplante Einsatzspektrum bestimmt in hohem Masse die Grundkonzeption der Maschine.
Mitte der 1980er Jahre konnten sich Frankreich unter Federführung von Dassault mit den Partnern aus England, Deutschland und Italien nicht einigen, wie das zukünftige Kampfflugzeug für Europa auszusehen hat. Die Franzosen entschieden sich für den Alleingang und entwickelten den Rafale. Die anderen drei Nationen entschieden sich zusammen mit Spanien den Eurofighter zu lancieren. Beiden Konzepten liegt ein schweres bis mittelschweres Kampfflugzeug mit zwei leistungsstarken Triebwerken zu Grunde. Der Eurofighter wurde für die Erringung der Luftüberlegenheit optimiert und der Rafale wurde für die Angriffsrolle mit untergeordneten Luftverteidigungsaufgaben geschaffen. Die beiden Maschinen wurden leistungsmässig in die Grössenklasse der kampfstarken F/A-18 Hornet positioniert, beide europäischen Muster sind ein wenig kleiner als das amerikanische Mehrzweckkampfflugzeug von McDonnell Douglas.
Schweden entschloss sich ebenfalls wie Frankreich für den Alleingang. Man wählte bei Saab ein viel kleineres Muster mit einem leistungsstarken Triebwerk amerikanischer Herkunft. Für die Gripen bot sich ein F404 von General Electric an, das bereits in der Hornet erfolgreich eingebaut wurde. Das schwedische Kampfflugzeug wurde so klein wie möglich gestaltet.
Die Vereinigten Staaten von Amerika entschieden sich bereits in den 1970er Jahren zweigleisig zu fahren, auf der einen Seite setzte man auf den schweren, zweimotorigen Luftüberlegenheitsjäger F-15 Eagle und die kleinere F-16 Fighting Falcon mit einem Triebwerk. Die US Navy entschied sich in dieser Zeit für die mittelschwere F/A-18 Hornet mit zwei Triebwerken.
Alle drei US amerikanischen Muster befinden sich immer noch in Produktion. Die F-15 Eagle kann sich immer noch zu den besten Luftüberlegenheitsjäger zählen und wurde Mitte der 1980er Jahre zum potenten Angriffsflugzeug weiterentwickelt. Die F-16 mauserte sich zum Bestverkauften Kampfflugzeug der neusten Generation und gilt immer noch als der beste und preiswerteste Allrounder, der es im Ernstfall mit jedem Gegner aufnehmen kann. Die F/A-18 wird in einer leicht grösseren Variante als Super Hornet gebaut und gilt wie die kleinere Hornet als eines der besten Kampfflugzeuge in der westlichen Welt.
In den USA machte man sich bereits in den 1980er Jahren an die Entwicklung eines neuen Stealth Kampfjets, daraus ging der zweimotorige Superfighter F-22 Raptor hervor. Die Produktion wurde 2012 nach nur 187 produzierten Einheiten zu Gunsten der kleineren F-35 Lightning II eingestellt. Die einmotorige F-35 verfügt wie die Raptor über Stealth Eigenschaften. Dieses Merkmal wird bis heute von keinem anderen am Markt verfügbaren Kampfflugzeug besser beherrscht als von den beiden Mustern von Lockheed Martin. Man spricht bei diesen beiden Maschinen von Kampfjets der fünften Generation.
China will auch in der Rüstungsindustrie an die grosse Wirtschaftsmacht USA aufschliessen und hat innerhalb von anderthalb Jahren zwei neue Stealth Kampfjets vorgestellt. Bei der Chengdu J-20 handelt es sich um ein Schwergewicht mit je zwei bärenstarken Saturn AL-31F Triebwerken. Die kürzlich präsentierte Shenyang J-31 hat ebenfalls zwei Motoren, sie ist jedoch viel kleiner als die J-20. Die kleinere Variante könnte für den Trägereinsatz optimiert sein oder als günstigere Ergänzung zur J-20 positioniert werden.
Die Russen sind seit Jahrzehnten Meister in der Entwicklung von zweckgebundenen Kampfflugzeugen und lancierten Ende der 1970er Jahre die leistungsstarke MiG-29 Fulcrum und den grossen Luftüberlegenheitsjäger Sukhoi Su-27 Flanker. Diese beiden Muster haben den kalten Krieg überlebt und werden als weiterentwickelte Varianten weiterhin gebaut und erfolgreich vermarktet. In den westlichen Ländern konnten sich diese Muster nie durchsetzen, da die russische Technologie in unseren Breiten kein grosses Vertrauen geniesst.
Die westlichen Kampfjets wurden immer kleiner
In den USA wollte man in den 1970er Jahren der steigenden Kostenspirale entfliehen und baute die F-16 Fighting Falcon, dieses relativ kleine Kampfflugzeug konnte sich in vielen Fighter Ausschreibungen gegen alle Konkurrenten durchsetzen und wurde zum ungebrochenen Markt Leader. Die F-16 Fighting Falcon wurde kontinuierlich weiterentwickelt und in vielen Streitkräften technologisch jeweils auf den neusten Stand modernisiert und kann sich dadurch immer noch mit jedem Kampfjet der neusten Generation messen. Die kleine Zelle konnte von der stetig kleiner werdende Mikroelektronik profitieren, durch diese Fortschritte liessen sich immer mehr Fähigkeiten in den relativ kleinen Kampfjet integrieren. Die Gratwanderung zwischen Grösse, Preis und Leistungsfähigkeit zahlte sich bei diesem Muster aus. Die F-16 Fighting Falcon steht bei Lockheed Martin immer noch in der Produktion und wurde mehr als 4500 Mal ausgeliefert. Für viele Länder war die F-16 Fighting Falcon über drei Jahrzehnte die ideale Lösung und wird in Zukunft wohl durch die schwerere und leistungsfähigere F-35 ersetzt.
Die beiden europäischen Muster Rafale und Eurofighter wurden als Kampfflugzeuge der vierten Generation entwickelt, lassen sich in ihren modernsten Varianten ebenfalls wie die neusten russischen Muster als Fighter der 4++ Generation bezeichnen. Das Denken in Generationen hat sich in der Kampfflugzeug Fachwelt eingebürgert, sollte aber nicht als Mass aller Dinge angeschaut werden.
Während der Eurofighter ganz klar als Luftüberlegenheitsjäger mit Mehrrollenfähigkeit entworfen wurde, war der Rafale eher als Angriffsflugzeug mit ungeordneten Fähigkeiten für die Erringung der Luftüberlegenheit ausgelegt worden.
Mit der schweren Bombenlast gilt der Rafale wohl als eines der besten Angriffsflugzeuge, auch über leichte Stealth Fähigkeiten werden diesem Muster nachgesagt. Als grösster Schwachpunkt gilt beim Rafale das M88 Triebwerk von SNECMA.
Im Teil 2 dieser Reihe werden wir auf die Grösse eines Kampfjets fokussieren.
Robert Kühni