Goodyear AO-2 und AO-3 Inflatoplane

21.07.2016 EK
Goodyear AO-3 Inflatoplane
Goodyear AO-3 Inflatoplane (Archiv: Eberhard Kranz)

Bei dem Goodyear AO-2 und AO-3 Inflatoplane handelte es sich um ein aufblasbares Flugzeug. Die Idee war originell, das Plastikflugzeug ließ sich jedoch weder militärisch noch zivil nutzen.

Geschichte der Goodyear AO-2 und AO-3 Inflatoplane

Seit dem ersten Weltkrieg beschäftigte man sich bei der Goodyear Tire & Rubber Company in Akron Ohio mit der Herstellung von Prallluftschiffen, sogenannten Blimps für militärische Zwecke. In den 30-iger Jahren des letzten Jahrhunderts erzielte man durch die Entwicklung relativ gasdichter Verbundwerkstoffe für die Hüllen der in Serie für die US Navy gefertigten über 200 Blimps große Fortschritte. Bei der Suche nach neuen Anwendungsgebieten für diese neuen Produkte kam man bei Goodyear auf die Idee, sich mit einem aufblasbaren Gummiflugzeug zu beschäftigen, das sowohl für zivile wie militärische Anwendungen geeignet sein sollte. Die Entwicklung lag in den Händen von Taylor Mc Daniel, führte aber vorerst zu keinem verwendbaren Ergebnis. Lediglich einige flugfähige Modelle entstanden dabei. Mit dem Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg wurden diese Experimente abgebrochen und statt eines aufblasbaren Gummiflugzeuges baute die neu gegründete Goodyear Aircraft Company F4U „Corsair“ Marinejagdflugzeuge in Lizenz. Im November 1955 beauftragte die US Army Goodyear mit der Wiederaufnahme der Versuche, mit dem Ziel der Entwicklung eines Rettungsflugzeuges, das bei Luftlandungen in einem Container von 1,25 m³ verpackt, abgesetzt werden und dann binnen weniger Minuten flugbereit sein sollte. Diese Idee war so revolutionär, daß sie die höchste Priorität genoss, schließlich war es möglich, daß sich so die Besatzungen vor einer drohenden Gefangenschaft retten konnten. Als Vorbild diente die in großen Stückzahlen gebaute Piper PA-18 Cub, die durch ihre einfache Konstruktion und ihre gutmütigen Flugeigenschaften legendär war, denn schließlich sollten mit dem Gummiflugzeug beliebige Soldaten, keine ausgebildeten Piloten, nach lediglich kurzer Einweisung erfolgreich fliegen können. Bereits nach 12 Wochen war der Entwurf fertiggestellt. Das ganze Flugzeug sollte sich durch seine Luftfüllung selbst stabilisieren. Zum Aufblasen der Gummihülle konnte eine Druckluftflasche, eine Handpumpe oder ein Kompressor, der vom Triebwerk des Flugzeuges angetrieben wurde, verwendet werden. Der Motor war ein luftgekühlter Vierzylinder-Boxer-Motor Mc Culloch 4318 mit einer Startleistung von 63 PS (46 kW), der bei Beginn des Aufbaus zuerst als stationärer Antrieb des Kompressors verwendet werden sollte, ehe er auf dem Motorträger montiert wurde. Später tauschte man ihn gegen die stärkere Ausführung 4318 E mit 78 PS Startleistung (57,35 kW) aus.

Goodyear AO-3, das aufblasbare Flugzeug (Archiv: Eberhard Kranz)

Konstruktionsmerkmale der Goodyear AO-2 und AO-3 Inflatoplane

Man ging von Anfang an von zwei Ausführungen aus, einer einsitzigen und einer zweisitzigen Variante. Die gesamte Konstruktion besitzt kein starres Innengerüst, wird nur durch den Innendruck stabil gehalten. Zusätzlich sind die Tragflächen und das Leitwerk verspannt. Das einzige Teil des Rumpfes aus Metall  ist der Motorträgerbock, der aus verschraubten Stahlrohren besteht und den Motor, der mit Schnellspannschrauben am Träger befestigt ist, über die Tragfläche in den freien Luftstrom stellt. Zusätzlich ist der Motor noch gegen die Fußplatte des Trägerbocks mit Seilen verspannt. Der Motor treibt direkt einen zweiblättrigen festen Holzpropeller an. Hinter dem Motor ist direkt der Kompressor angebaut, der die notwendige Pressluft zum Aufblasen der Maschine liefert und während des Fluges den Innendruck konstant hält. Das Rumpfvorderteil, wo die Besatzung sitzt, hat einen rechteckigen Querschnitt mit abgerundeten Ecken. Bei der zweisitzigen Ausführung GA-466, US Army Bezeichnung XAO-2G 1, sind die beiden Sitze nebeneinander angeordnet. Das Cockpit ist offen und hat lediglich einen Windschutz aus Plexiglas. Die Instrumentierung ist den Anforderungen entsprechend spartanisch. Ein UKW Funkgerät gehört allerdings zur Ausrüstung. Die einsitzige Ausführung GA-468, US Army Bezeichnung XAO-3 G 1, hat ein geschlossenes Cockpit und einen schwächeren Motor Nelson H-63 A, ebenfalls ein luftgekühlter Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor mit 44 PS (32,3 kW) Startleistung. Hinter dem Cockpit ist der Kraftstofftank aus Gummi mit einem Volumen von 20 Gallonen (76 Liter) genau im Massenschwerpunkt untergebracht. Über eine elektrisch angetrieben Kraftstoffpumpe wird der Kraftstoff zum Vergaser befördert. Da der Motor ein Zweitaktmotor ist, ist der verwendete Kraftstoff ein Benzin- Ölgemisch im Mischungsverhältnis 50:1. Hinter dem Mittelrumpf auf Höhe der Tragflächenhinterkante verjüngt sich der Rumpf zu einem runden Leitwerksträger. Im Rumpfboden befindet sich das Einradfahrwerk, ähnlich wie bei einem Segelflugzeug, das nur zur Landung dient. Zum Starten war anfangs eine abwerfbare durchgehende Achse mit zwei Rädern vorgesehen. Nach mehreren Zwischenstufen hat man sich für ein starres Bugradfahrwerk entschieden, das aus einem dreieckigen Stahlrohrgerüst besteht. An jeder Ecke befindet sich ein gleichgroßes Rad, wobei die Spitze des gleichschenkligen Dreiecks nach vorn zeigte und das Bugrad trägt. Der Rumpf besteht aus einfach gummiertem Luftschiff-Bespannungsmaterial (Neopren-Polyestergewebe). Das Volumen des Rumpfes beträgt 3.405 Liter. Durch einen erhöhten Innendruck wird der gesamten Konstruktion die notwendige Stabilität und Steifigkeit gegeben. Bei der zweisitzigen GA-466 beträgt der Innendruck 0,60 kg/cm², während er bei der einsitzigen GA-468 wegen des geringeren Gewichts nur bei 0,49 kg/cm² liegt. Dies entspricht einem Druck von etwa 1,7 Atmosphären. Der rechteckige freitragende Tragflügel, der auf dem Rumpf aufsitzt und das Fluggerät zu einem Schulterdecker macht, besteht aus Airmat, einem patentierten Material aus zwei gummierten Nylon-Gewebeschichten. Die einzelnen Bahnen sind mit höchster Präzision verklebt, damit es zu keinen Profilverzerrungen kommt. Besondern die Tragflügelnase ist speziell mit einer dritten Schicht versteift. Das Volumen des Tragflügels beträgt 3.745 Liter. Das rechteckige freitragende Höhenleitwerk und Höhenruder bestehen wieder aus Airmat. Das trapezförmige, großzügig dimensionierte Seitenleitwerk samt Seitenruder ist ebenfalls aus Airmat hergestellt.

Goodyear AO-2, GA-33 erster Prototyp (Archiv: Eberhard Kranz)

Bei den Prototypen musste lange experimentiert werden

Um diese neuartige Technologie zu testen, baute man bei Goodyear zuerst einen Erprobungsträger GA-33 Inflatoplane , der im Aufbau den späteren GA-466 und GA-468 grundsätzlich ähnelte aber ein anderes, wesentlich dickeres Tragflächenprofil und einen völlig offenen Pilotensitz hatte. Der Tragflügel war mit beidseitig mit zwei Seilen zum Rumpfboden verspannt. Das Fahrwerk bestand aus einer durchgehenden Achse aus Stahlrohr, die an jedem Ende die Räder trug. Am Heckboden war ein Schleifsporn aus Metall angebracht. Ende 1955 war der Technologieträger GA-33 bei Goodyear fertiggestellt und ein zweiter Prototyp befand sich bereits in der Fertigung. Die GA-33 erhielt die zivile Zulassung N-39635 und nach zahlreichen Versuchen, bei denen sich das Handling als durchaus sicher erwies, so war die Maschine nach nur 7 Minuten aufgeblasen. Allerdings verwendete man zum Aufblasen wie bei den in Serie gefertigten Blimps Helium, das in Gasflaschen angeliefert wurde. Helium erzeugt einen Auftrieb von 28, 2 Gramm pro Kubikfuß (2,83 Liter), der zusätzlich wirkte. Am 13. Februar 1956 startete die GA-33 zum Erstflug. Der Flug verlief erfolgreich, allerdings erwies sich das gewählte dicke Tragflächenprofil als nicht geeignet, so dass der zweite in der Fertigung befindliche Prototyp GA-447 einen neuen Tragflügel mit dünnerem Profil und nun freitragend erhielt. Diese Ausführung erfüllte die Forderungen der Abnahmekommission der US Army und Goodyear erhielt nun eine offizielle Bestellung über 12 Versuchsmaschinen, davon sieben zweisitzige GA-466 mit der Bezeichnung XAO-2-GI und fünf einsitzige GA-468 mit der Bezeichnung XAO-3-GI. Die militärische Erprobung der Maschinen fand in Akron am Ufer des Wingfoot Lake in Ohio statt. Man wollte auch die Tragfähigkeit der Maschinen bei Notwasserungen testen. Während der mehrjährigen Erprobung kam es zu einem tödlichen Unfall durch das Reißen eines Steuerseils, das dabei die Tragfläche aufschlitzte, so dass der ganze Apparat instabil wurde und abstürzte. Dabei verlor der Pilot Leutnant Willis sein Leben.

Goodyear AO-2 in der Flugerprobung (Archiv: Eberhard Kranz)

Die Erprobung setzte der Goodyear AO-2 und AO-3 ein Ende

Mit Beginn des Vietnamkrieges forcierte man die Erprobung, weil man in dem aufblasbaren Fluchtflugzeug eine Möglichkeit sah, mit der sich Piloten abgeschossener Flugzeuge der Gefangenschaft durch die Vietkong entziehen konnten. 1973 kam dann über Nacht der Abbruch der gesamten Erprobung und man beendete das Projekt Gummiflugzeug. Im Oberkommando der US Air Force und auch bei der US Army hatte man erkannt: Was nützt ein Flugzeug, das zwar in fünf Minuten startklar aber in 10 Sekunden einfach mit Pfeil und Bogen abzuschießen war? Nichts.

Auch ein letzter Versuch, das aufblasbare Gummiflugzeug als Sportgerät zu vermarkten, scheiterte schließlich, es war dafür keine staatliche Zulassung zu bekommen. So endete 1975 ein interessantes Projekt. Von den insgesamt gefertigten 14 Maschinen, einschließlich der Erprobungsträger, ist wahrscheinlich keine erhalten geblieben.

Goodyear AO-3 im Flug (Archiv: Eberhard Kranz)

Technische Daten: Goodyear GA 466 Inflatoplane

Land: USA

Verwendung: aufblasbares Rettungsflugzeug

Triebwerk: ein luftgekühlter  Vierzylinder-Zweitakt- Boxermotor McCulloch 4318 E mit festem Zweiblatt-Holzpropeller (ein luftgekühlter Vierzylinder-Zweitakt-Boxermotor Nelson  H-63A mit festem Zweiblatt-Holzpropeller)

Startleistung: 78 PS, 57,35 kW (44 PS, 32,4 kW)

Dauerleistung: 65 PS, 47,80 kW (32 PS, 23,5 kW)

Baujahr: 1956

Besatzung: 2 Mann oder 1 Mann je nach Ausführung

Erstflug: 13. Februar 1956

In Klammern die entsprechenden Daten der GA 468

Abmessungen:

Spannweite: 8,53 m (6,70 m)

Länge: 7,84 m (5,84 m)

größte Höhe: 2,18 m (2,18 m)

Spannweite Höhenleitwerk: 2,44 m (1,88 m)

Propellerdurchmesser: 1,52 m (1,52 m)

Propellerfläche: 1,82 m² (1,82 m²)

Spurweite: 1,24 m

Flügelfläche: 10,3 m² (8,1 m³)

V-Form: 1° (1 °)

Streckung: 7,06 (5,54)

Massen:

Leermasse: 135 kg (102 kg)

Startmasse normal:  336 kg (240 kg)

Startmasse maximal: 380 kg (265 kg)

Tankinhalt:  76 Liter (68 Liter)

Flächenbelastung: 36,89 kg/m² (32,72 kg/m²) 

Leistungsbelastung: 4,87 kg/PS  (6,63 kg/kW) (6,02 kg/PS  (8,19 kg/kW))

Leistungen:

Höchstgeschwindigkeit: 112 km/h (115 km/h)

Reisegeschwindigkeit: 94 km/h (96 km/h)

Landegeschwindigkeit: 69 km/h (59 km/h)

Startgeschwindigkeit: 92 km/h (88 km/h)

Steigleistung: 2,5 m/s (2,8 m/s)

Steigzeit auf 1000 m: 7 min (6 min)

Steigzeit auf 1.980 m: 17,5 min (15 min)

Gipfelhöhe: 1.980 m (3.140 m)

Reichweite normal: 440 km (530 km)

Reichweite maximal: 490 km (624 km)

Startstrecke: 120 m (76 m)

Landestrecke: 152 m (107 m)

Flugdauer:  5 h (6,5 h)

 

Text und technische Daten: Eberhard Kranz

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