Interview: Rafale International CH
Die Schweiz sucht ein neues Kampfflugzeug für die alternde Tiger-Flotte. Im Rahmen dieser Ausschreibung konnten wir ein Interview mit Herrn Pius Drescher führen, der das Verbindungsbüro von Rafale International in Bern leitet.
Im Sommer 2009 hatte FliegerWeb.com die Gelegenheit, mit Herrn Pius Drescher, Managing Director des Verbindungsbüros Rafale International in der Schweiz, ein Interview über das Kampfflugzeug Rafale von Dassault zu führen. Im Rahmen des Tiger Teilersatzes steht das Omnirole Kampfflugzeug aus unserem Nachbarland Frankreich im Rennen gegen den Eurofighter Typhoon von EADS und dem Saab Gripen aus Schweden. Beim Rafale handelt es sich um einen Alleskönner, der mit der französischen Luftwaffe bereits erfolgreich über dem Krisenherd Afghanistan eingesetzt wurde, auch bei den grossen Luftkampfmanövern Red Flag über den weiten Nevadas konnte das Kampfflugzeug von Dassault sein Können unter Beweis stellen.
Captain Robert Kühni
Sprechen wir zuerst über Sie Herr Drescher.
Wie sind Sie in die Flugzeugindustrie gekommen?
Flugzeuge haben mich bereits in jungen Jahren begeistert. Bei meinem Maschineningenieur-Studium an der ETH Zürich wählte ich als Vertiefungsrichtungen Aerodynamik?sowie Flugzeugstatik und Leichtbau?. Nach mehr als 10 Jahren Engineering-Tätigkeit auf den Gebieten Aerodynamik und Thermodynamik bei der damaligen Brown Boveri AG in Baden und am NASA-Ames Research Center in den USA trat ich 1986 ins Eidgenössische Flugzeugwerk Emmen ein, welches 1996 mit Teilen des BAMF zusammengelegt wurde und danach als RUAG Aerospace auftrat. Während über zwanzig Jahren hatte ich dort eine ganze Reihe verschiedener Verantwortlichkeiten, von Windkanalversuchen über Wartung und Modifikation von Zivil- und Militärflugzeugen sowie deren Komponenten bis zur Produktion von Strukturbaugruppen und Endmontage von Flugzeugen.
Nach so langer Zeit sind Sie immer noch fasziniert von dieser Industrie?
Die Aviatik-Industrie war schon immer und ist heute mehr denn je eine faszinierende Branche. Die Technik ist komplex, der Fortschritt atemberaubend, die Herausforderungen sind hoch interessant und die Geschäfte sind international...
Wie sind Sie zu Rafale International gestossen?
Dassault Aviation hat mich angefragt, nach meinem Austritt aus RUAG Aerospace 2007 das Verbindungsbüro von Rafale International in Bern aufzubauen.
Was ist Ihre Hauptaufgabe bei Rafale International in der Schweiz?
Die Teilnahme an der Evaluation Tiger-Teil-Ersatz / Neues Kampfflugzeug verlangt von einem Anbieter vielfältige Aktivitäten in der Schweiz: Meetings aller Art mit den Evaluationsbehörden, den Auf- und Ausbau von Verbindungen zur Industrie, zu technischen Hochschulen und zu verschiedenen Organisationen und Verbänden, Produktmarketing sowie Repräsentation in der militärischen und zivilen Schweizer Aviatik. Um diese Aktivitäten effizient und wirksam durchzuführen, ist ein Verbindungsbüro vor Ort unerlässlich. Meine Funktion besteht darin, die Rafale International-Niederlassung zu leiten und die genannten Aktivitäten zu entwickeln, zu koordinieren und zu überwachen.
Lassen Sie uns nun über das Kampfflugzeug Rafale sprechen.
Wo liegen die Hauptfähigkeiten des Kampfflugzeuges Rafale von Dassault?
Die Rafale ist ein Omnirole-Kampfflugzeug, das heisst sie kann die Einsatzarten Luftverteidigung, Aufklärung und Erdkampf aus dem Stand, ohne zeitraubende Um- und Aufrüstung und sogar kombiniert während eines einzigen Einsatzes durchführen. In Frankreich ersetzt die Rafale nicht weniger als sieben verschiedene Kampfflugzeuge, das macht sie momentan einzigartig. Voraussetzung dafür sind folgende Merkmale, welche die Rafale auszeichnen:
- Enorme Nutzlast, welche das gleichzeitige Mitführen einer Vielzahl von Waffen, Behältern mit Spezialausrüstung und Zusatztanks und damit verschiedenste Missionstypen im gleichen Flug ermöglicht.
- Breite Palette von Sensoren mit modernster Technologie wie zum Beispiel das Radar mit aktiver elektronischer Strahlschwenkung (AESA), das vollständig integrierte Selbstschutzsystem, die Frontbereichs-Optronik und die Datenfusion.
- High-Tech-Waffensysteme: Luft-Luft-Lenkwaffen MICA (mit Infrarot- oder Radarsuchkopf), modulare Luft-Boden-Lenkwaffen AASM, Laser- und konventionell gelenkte Präzisions-Bomben.
Weitere hervorstechende Merkmale:
- Zwei M88-Triebwerke für beeindruckende Flugleistungen und höchste Sicherheit, die zudem optimierte Start- und Landeverfahren zur Reduktion der Lärmbelastung erlauben. So sind Starts selbst auf kurzen Pisten ohne lärmigen und Treibstoff-intensiven Nachbrenner möglich.
- Weltweit einzigartiges Man-Machine-Interface mit ausgezeichneter Cockpit-Ergonomie durch die Kombination des HOTAS-Konzepts mit Befehlen über Touch-Screen.
- Tiefe Betriebkosten dank innovativem Logistikkonzept, das auf Verwendung modernster Technologien basiert. Alle Wartungsarbeiten am Flugzeug werden auf der Air Base gemacht, die Rafale verlässt die Air Base nie für Unterhaltsarbeiten!
Wieviele Arbeitsstunden braucht der Rafale um ihn eine Stunde in der Luft zu halten?
Tiefe Wartungs- und Logistikkosten waren ein wichtiger Design-Driver bei der Entwicklung der Rafale. Dies wurde erreicht durch:
Modulares Design:
- reduzierte Ersatzteilhaltung
Weitreichende Selbstdiagnose:
- weniger Bodenmaterial und Werkstätten erforderlich
- Deutliche Zeitersparnis und höhere Trefferwahrscheinlichkeit für Diagnose von
Störungen:
- Keine geplante/periodische Wartung (scheduled maintenance):
- Unterhalt nur im Falle einer Störung (on condition maintenance)
- keine Überholung von Flugzeug oder Triebwerk
- weniger Flugzeuge für geforderte Flottenverfügbarkeit nötig (F/A-18 C/D jeweils nach 200 Flugstunden 6 bis 8 Wochen im Unterhalt).
Integrierter Support:
- weniger Personal
- einfach auszubilden.
Wie waren die Erfahrungen im Luftkampf über Nevada an den Red Flag Übungen?
Kurz gesagt, ausgezeichnet. Die ausländischen Teilnehmer waren alle sehr beeindruckt vom Man-Machine-Interface, von der Leistungsfähigkeit der Sensoren, insbesondere der Frontbereich-Optronik bei Identifizierungsaufträgen, sowie der Datenfusion der Rafale. Alle Systeme arbeiteten perfekt und vermittelten den Piloten jederzeit eine ausgezeichnete Situation Awareness. Für Einzelheiten muss ich Sie an die französische Luftwaffe verweisen.
Wie ist die Radar Cross Section verglichen mit dem Mirage 2000 und der F/A-18C?
Diese Daten sind vertraulich. Die Angaben zum F/A-18C müssen Sie bei armasuisse erfragen.
Zur Kampfflugzeugausschreibung in der Schweiz, Tiger Teilersatz
Wie ist der Rafale gegenüber seinen zwei Wettbewerbern Saab Gripen und Eurofighter Typhoon positioniert?
Die Rafale ist das einzige Omnirole- Kampfflugzeug in der Evaluation. Zudem ist sie als einziges evaluiertes Flugzeug Combat proven - sie ist erfolgreich in Afghanistan im Einsatz. Die Flug- und Bodenversuche im Herbst 2008 in Emmen hat sie ohne Probleme mit bestem Erfolg absolviert. Die Rafale verkörpert Spitzentechnologie, steht am Anfang ihrer operationellen Verwendung und besitzt ein grosses Weiterentwicklungspotential für die kommenden Jahrzehnte. Die Produktion ist bereits heute bis ins Jahr 2025 gesichert.
Mit der Rafale wird der Schweiz zudem ein einzigartiges Gesamtpaket angeboten:
Einzige Alternative mit technologischer Unabhängigkeit von den USA: Das Flugzeug inklusive alle Ausrüstung und Bewaffnung wurde ausschliesslich in Frankreich entwickelt und wird nur dort hergestellt. Frankreich kann deshalb alleine darüber verfügen und der Schweiz offenen Zugang zu allen Technologien ohne Einschränkungen anbieten ? als einziger der drei Anbieter!
Eingespielte Zusammenarbeit mit der französischen Luftwaffe: die geografische Nachbarschaft Frankreichs erlaubt es der Schweizer Luftwaffe, alle von Frankreich bereit gestellten Ausbildungsmittel und Installationen, insbesondere auch den militärischen Luftraum für Trainings, ohne wesentlichen logistischen und administrativen Aufwand zu nutzen. Dank kurzer Distanzen können für Ausbildung und Trainingseinsätze der Schweizer Piloten massiv Zeit und Kosten gespart werden.
Strategischer Zugang für Schweizer Firmen zum weltweiten Luft- und Raumfahrtmarkt: die drei Konsortialpartner Dassault, Snecma und Thales sind nicht nur in der Militär-, sondern auch in der Zivil-Aviatik führend. Beispiele sind etwa die Falcon Businessjet-Familie oder die CFM-56 Triebwerk-Reihe. Schweizer Technologie-Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen aus allen Kantonen aber auch viele KMUs, erzielen dank einer vertraglich gesicherten industriellen und wissenschaftlichen Partnerschaft nicht nur einen enormen technologischen Mehrwert, sondern erhalten insbesondere direkten Zugang zu diesen hochinteressanten Zukunftsmärkten. Die Kompensations- und Folgegeschäfte sind wirksame Massnahmen für einen zügigen wirtschaftlichen Wiederaufschwung.
Wie viele Flugzeuge offerieren sie der Schweiz für die vorgesehenen 2,2 Milliarden Franken, inklusive Luft-Luft-Bewaffnung?
Die genaue Anzahl steht in unserer Offerte und ist vertraulich. Letztlich geht es aber nicht um die Anzahl Flugzeuge, sondern um das Leistungspaket, das die Schweiz für diesen Preis erhält. Dazu gehören neben der Leistungsfähigkeit der Flugzeuge insbesondere auch deren System-Kosten und das Potential für neue Einsatzformen und Bewaffnung in späteren Jahren. Denn heute ist nicht klar, was für eine Bedrohung in 15 Jahren das neue Schweizer Kampfflugzeug bewältigen können muss. Deshalb sind das Entwicklungspotential und die gesicherte Weiterentwicklung und Produktion durch den Hersteller entscheidender als die blosse Anzahl der Plattformen.
Warum soll die Schweiz den Rafale beschaffen? (Nur die wichtigsten drei Punkte)
Das Angebot Rafale ist ein für die Schweiz massgeschneidertes Paket mit hervorragendem Inhalt:
1. Rafale ist das mit Abstand leistungsfähigste Kampfflugzeug: Omnirole, AESA-Radar, enorme Nutzlast, lange Verweildauer, tiefe garantierte Betriebskosten. Sie bietet dank Spitzentechnologie und grossem Entwicklungspotential für das begrenzte Budget optimale Wirksamkeit über die gesamte Verwendungsdauer. Die Produktion ist bereits bis 2025 gesichert.
2. Das Zusammenarbeitsangebot von französischer Luftwaffe und französischen Behörden ist im angebotenen Umfang einzigartig; es wird von den höchsten Regierungsstellen unterstützt. Es entspricht ohne jede Einschränkung den Schweizer Wunschvorstellungen, verschafft der Schweiz Zugang zu allen verwendeten Technologien - bis hin zu EW-Bibliotheken und Software - und zu den französischen Ausbildungseinrichtungen mitsamt dem für die Trainings nutzbaren Luftraum.
3. Die Rafale-Industrie bietet eine attraktive, breit abgestützte industrielle und wissenschaftliche Kooperation mit Schweizer Luftfahrt-, Raumfahrt- und Wehrtechnikunternehmen und den Schweizer Hochschulen. Bereits seit mehr als fünf Jahren arbeitet Rafale mit Schweizer Partnern gezielt darauf hin. Über 200 identifizierte Unternehmen aus allen Kantonen und mehr als 150 konkrete Projekte, welche in dieser Zeit definiert und teilweise schon vergeben wurden, belegen die hohe Glaubwürdigkeit der Versprechen des Rafale-Teams.
Vielen herzlichen Dank für das Interview Herr Drescher.
Link: Weitere Informationen zum Rafale