Review Boeing 737 Simulator

05.12.2008 RRIC
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Fabian Egli und Roger Richard haben für FliegerWeb den Boeing 737 Simulator getestet. Lesen Sie im Folgenden einen spannenden Bericht über ein einmaliges Flugsimulator-Erlebnis.

 

Als Einstieg für diesen Artikel von Roger Richard und Fabian Egli empfehlen wir Ihnen das Interview mit dem Betreiber des Simulators, Herrn Hanselmann, anzuhören. 

TODO: Add interview mp3 player

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Blick ins Cockpit des Boeing 737 Simulators (Foto: Fabian Egli)

Ein Probeflug des Boeing 737 Simulators stand schon lange auf der Agenda von Fliegerweb.com, doch leider kam immer wieder etwas dazwischen. Nun war es aber endlich soweit und wir konnten den Full-Motion-Flugsimulator von Daniele Hanselmann (www.simaviatik.ch) Probe fliegen. Zum Einen wollten wir den Simulator an sich testen, zum Anderen herausfinden, ob ein PC-Pilot und ein Cessna 172 Pilot zusammen die 737 aus dem Cold and Dark Modus sicher von A nach B bewegen können. Wie in der realen Fliegerei, geht auch beim Simulator nichts über eine gute und detaillierte Vorbereitung. Geplant war ein Flug von Zürich-Kloten nach Bastia in Korsika und wieder zurück.
Leider bin ich schon seit über drei Jahren nicht mehr mit der PMDG Boeing 737 (auf welcher der Simulator basiert) geflogen. Früher flog ich den Typ fast täglich und hoffte in dieser Hinsicht noch eine gewisse Routine zu haben. Mein Copilot, Fabian Egli und ich haben dafür etwas Erfahrung mit der Boeing 767 von Level-D.

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Boeing 737 Simulator (Foto: Roger Richard)

Da viele Instrumente, insbesondere der FMC (Flight Management Computer) bzw. die CDU (Control Display Unit) sehr ähnlich sind, hofften wir, dass wir uns gut in der 737 zu Recht finden würden.Als Vorbereitung auf den Flug studierte ich intensiv das B737 Manual von PMDG und las das Buch "PMDG 737 You have control“ von Tim Rommen Letzteres kann ich übrigens sehr empfehlen.

Link: zu der Buchbesprechung

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Rechenpower (Foto: Roger Richard)

Meine Fuelberechnung ergab, dass wir mit 10 Tonnen Kerosin nach Korsika und wieder zurück kommen und auch die gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsreserven einhalten würden. Die gesamte Flugdistanz betrug 326 Meilen. Die Route, insbesondere die SID’s (Standard Instrument Depature) und auch den Approach (Anflug) in Korsika kannten wir schon recht gut von unseren Flügen mit der B767. Also betraten wir gut vorbereitet und voller Motivation den Simulatorraum. Der Anblick des Cockpits ist genial und für sich alleine schon die Reise nach Winterthur wert. Das ganze Cockpit steht auf einer Motionplattform der Firma Simtechnik. Ein 135° Visualsystem mit drei Beamern sorgt für ein realistisches Fluggefühl.
Das ist schon gewaltig, die vielen Schalter und Hebel! Diese machten mir am Anfang Sorgen, da ich sie von den PC-Bildschirmen nicht gewöhnt war. Gegen 10.00 Uhr morgens setzten wir uns also ins Cockpit und richteten uns ein. Die sehr bequemen, Original-Sitze lassen sich in alle Richtungen verstellen und bieten reichlich Platz und Komfort. Bei unserem ersten Leg einigten wir uns darauf, dass ich den PF (Pilot Flying) mache und Fabian der PM (Pilot Monitoring) ist. Da wir beide keine Erfahrung in einem Multicrew Cockpit haben, lief es vermutlich nicht immer so ab, wie es sich ein Linienpilot gewöhnt wäre. Wir fingen gleich damit an die Checkliste abzuarbeiten, Cockpit Acceptance: Parking Brake SET, Battery ON. Alles lief wie am Schnürchen, Fabian las die Checkliste vor, ich suchte die Schalter, er machte einen Gegencheck und kontrollierte, ob ich die richtigen Schalter betätigte. Die FMC Initialization wich ein wenig von dem ab, was wir aus dem Addon von PMDG kannten. Wir gewöhnten uns aber recht schnell an das etwas andere Handling des FMC.

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Overhead Panel, Boeing 737 (Foto: Fabian Egli)

Nun waren wir ready for pushback und das Flugzeug wurde vom Gate geschoben. Im ersten Moment bin ich schon ein wenig erschrocken, als das ganze Cockpit anfing zu ruckeln. Die Motion, auf der das Cockpit stand, leistete ganze Arbeit und liess uns dann auch beim Rollen jede Bodenplatte spüren. Ein Highlight war das Anlassen der Triebwerke. Bei 20% N2 (Hochdruckwelle) werden die Start Levers auf IDLE geschalten. Dann spürt man förmlich wie dem Triebwerk Fuel eingespritzt wird und wie das Feuer in den Brennkammern entfacht wird. Der realistische Sound im Cockpit rundet den Starvorgang ab. Zehn Minuten später standen wir schon am Holding Point des Runway 28 in Zürich und waren abflugbereit (Swiss 1018, ready for departure).

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Throttle, Boeing 737 Simulator (Foto: Fabian Egli)

Nach dem Auflinieren schob ich die Throttles langsam nach vorne, bis wir eine stabile 40% N1 Anzeige der Niederdruckwelle erreichten und drückte anschliessend den TOGA-Button. Die Triebwerke wurden auf die vorher im FMC eingestellten Werte hochgefahren. Wir überwachten den Vorgang und ich behielt die Hand am Throttle um jederzeit, so lange wir V1 noch nicht erreicht hatten, den Start abbrechen zu können. Bald erreichten wir V1 (Entscheidungsgeschwindigkeit für den Takeoff) und bei VR (Rotationsgeschwindigkeit) rotierte ich den Flieger mit 10° Pitch up. Ein paar Sekunden später erreichten wir VLift off (Geschwindigkeit beim Abheben des Flugzeuges von der Piste) und später V2 (take off safety speed). Dann tönte es wie folgt im Cockpit: Positive climb, gear up. 400ft (AGL) Roll mode selected. 800ft Climb speed V2+20 reduce pitch to 220kts. Retract Flaps. 1000ft engage autopilot, 3000ft speed to 250 or VNAV, Gear off, auto brakes off, eng starters off. After Takeoff Checks completed.

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Cockpit, Boeing 737 Simulator (Foto: Fabian Egli)

Nach diesem hektischen Moment konnten wir uns während dem Steigflug auf 30’000ft wieder ein wenig entspannen. Auf 7000ft stellten wir den Höhenmesser auf QNE 1013.25 oder 29.92 inch. Auf FL100 schalteten wir die Landing Lights und die Seatbelts Signs aus, damit unsere virtuelle Passagiere mal auf die Toilette konnten. Nun mussten wir uns schon auf den Sinkflug und den Anflug auf Bastia vorbereiten. Dafür wählten wir als Erstes den ILS Anflug auf die Piste 34 im FMC. Auf eine STAR (Standard Arrival Route) verzichteten wir, da ich via Bastia VOR und den in der Aproach-Chart publizierten Radials und Headings aufs ILS fliegen wollte.

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Cockpit, Boeing 737 Simulator (Foto: Fabian Egli)

In Korsika herrschte während unseres Anflugs dichter Nebel, was den Approach zu einer richtigen Experience werden liess. Wir liessen beim ersten Anflug den Autopiloten seine Arbeit verrichten, welcher die 737 sanft auf den Runway 34 von Korsika landete. Da es uns aber so gut gefallen hatte, machten wir gleich einen Touch and go, also Flaps 15 und wieder Takeoff Power setzen. Den nächsten Approach flog ich manuell, das heisst, ich folgte den Anweisungen des Flightdirectors. Ich musste mich dabei recht konzentrieren, da ich wegen der schlechten Sicht sofort das Gefühl für die Fluglage verloren hatte. Da der Simulator nicht zuletzt wegen der Motion sehr real wirkte, vergass ich beinahe, dass ich nur für virtuelle Passagiere die Verantwortung hatte.

Falls man es nicht schon vorher wusste, spätestens jetzt wurde einem klar, weshalb man ein Flugzeug dieser Klasse nicht als Singlepilot fliegen darf. Ohne die Hilfe meines Co-Piloten wäre ich bei diesem Anflug wohl recht überfordert gewesen. Nachdem auch die zweite Landung geglückt war und wir bereits in den Taxiway eingebogen waren um zum Gate zu rollen, spürte ich eine grosse Erleichterung, dass alles gut gegangen ist. Wir hatten es geschafft! Ich war so happy, dass ich die ganze Welt hätte umarmen können. Einen ganz kleinen Moment war ich enttäuscht, als ich merkte, dass wir ja gar nicht wirklich in einer 737 sassen, sondern nur im Simulator bei der Firma Simaviatik in Winterthur. Der Flug hatte sich wirklich sehr realistisch angefühlt. Nach einer kurzen Pinkelpause waren wir schon wieder im Cockpit und bereiteten uns auf den Rückflug vor. Diesmal war Fabian der Pilot Flying. Beim zweiten Mal hatten wir schon ein wenig Routine und alles ging viel schneller als beim ersten Mal. Wir flogen also wieder zurück nach Zürich und überquerten zum zweiten Mal die Alpen. In Zürich flogen wir dann einen touch and go und einen weiteren ILS Anflug auf den Runway 14. Auf dem ILS Anflug sagte mein Copilot Fabian ?Glideslope captured, Gear down? ich antwortete ihm Gear going down. Negative Gear failure! Go around! Mein Co drückte den TOGA-Button und schon heulten die Triebwerke auf und beschleunigten auf Takeoff-Power. Ich musste mich sehr beeilen, dass ich die Flaps noch rechtzeitig wieder rein bekam, die waren ja bis auf 40° ausgefahren.

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Blick ins Cockpit des Boeing 737 Simulators (Foto: Fabian Egli)

Nach dem Go Around stiegen wir auf 7000ft und gingen ins AMIKI-Holding um dem Gearproblem auf den Grund zu gehen. Es wäre ja auch möglich gewesen ohne Gear zu landen. Aber wer erklärt das dann der Versicherung? Zuerst dachten wir, dass Daniele Hanselmann uns den Gearfailure als zusätzliche Herausforderung eingebrockt hat, als ob wir auch ohne Emergency nicht schon genug gestresst gewesen wären. Aber unser Simulatoroperator war im Moment des Gearfailures gar nicht zugegen. Wir forderten dann Hilfe an und Daniele Hanselmann wusste sofort, wo das Problem lag. Der Gearlever wird demnächst gegen ein neues, noch originalgetreueres Modell ausgetauscht und bei den Vorbereitungen dazu wurde beim Kontaktschalter eine Schraube vergessen. Da wir nur in einem Simulator und nicht wirklich in der Luft waren, konnte dieses Problem In-flight behoben werden. Wir waren sehr erleichtert, als uns der Owner des Simulators sagte, dass das Fahrwerk nun garantiert ausfahren werde. Beim nächsten Anflug auf die Piste 14 funktionierte das Gear wieder einwandfrei. Diese Tatsache brachte auch meinen Puls wieder auf Normalwerte zurück. Fabian setzte die 737 sanft auf den Runway One Four in Zürich und bremste das Flugzeug mit reverse thrust (Umkehrschub) bis auf rund 90 Knoten ab. Anschliessend verliessen wir die Piste via dem Taxiway Hotel Two und rollten zum Gate.

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Schalter, Schalter, Schalter... (Foto: Roger Richard)

Mittlerweile war es dunkel geworden, was uns ein wenig verwunderte, hatten wir doch erst eben mit Fliegen angefangen. Dass aber tatsächlich schon sieben Stunden verstrichen waren, konnten wir fast nicht glauben. Ein wenig stolz waren wir schon, dass wir die Boeing 737 so gut im Griff hatten. Es ging zwar ab und zu etwas chaotisch zu auf dem Flightdeck. Aber im Grossen und Ganzen gab es keine grösseren Probleme, es war eine sehr gute und spannende Erfahrung für uns. Eines steht fest, wir sind sicher nicht das letzte Mal mit dem Boeing 737 Simulator geflogen. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei Daniele Hanselmann, dass er uns den Simulator für den fliegerweb.com Testflug zur Verfügung gestellt hat. Unser Fazit steht fest, der Simulator von Daniele Hanselmann ist der absolute Mega-Ober- Hammer, einfach geil (Sorry aber ein treffenderes Wort kommt mir beim besten Willen nicht in den Sinn). Ein Muss für jeden, der schon immer einmal davon geträumt hat im Cockpit eines Airliners zu fliegen. Für Piloten, die noch keine Erfahrung mit der 737 haben, steht ein echter B737-Pilot als Instruktor zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie auf www.simaviatik.ch.

Vielen Dank an unserem Autoren  Roger Richard und Mitflieger Fabian Egli!

Den Simulator können Sie auch unter fachkundiger Anleitung eines Boeing 737 Kommandanten buchen: Unter diesem LINK findest du den Flugsim Anbieter

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