Interview: Eurofighter Typhoon

04.10.2009 RK
Eurofighter Typhoon (Foto: Italian Air Force)
Eurofighter Typhoon (Foto: Italian Air Force)

Die Schweiz sucht ein neues Kampfflugzeug für die alternde Tiger-Flotte. Im Rahmen dieser Ausschreibung konnten wir ein Interview mit den Verantwortlichen für die Eurofighter Kampagne von EADS führen.

Am Freitag, dem 2. Oktober 2009, hatte FliegerWeb.com die Gelegenheit, mit den Verantwortlichen der Eurofighter Kampagne Schweiz zu sprechen. Das Interview wurde mit Herrn Dr. Welf-Werner Degel, Head of Eurofighter Campaign Switzerland, Dr. Frank Liemandt, Sales Director Eurofighter Campaign Switzerland und Wolfram Wolff, Head External Communications Military Air Systems, geführt. Im Rahmen des Tiger Teilersatzes steht der Eurofighter Typhoon von EADS im Rennen gegen den Rafale von Dassault aus Frankreich und dem Saab Gripen aus Schweden. Bei dem Eurofighter Typhoon handelt es sich um eines der besten Jagdflugzeuge der vierten Generation, der auch für Luft-Boden und Aufklärungsaufgaben eingesetzt werden kann.

Captain Robert Kühni

Eurofighter Typhoon, Deutsche Luftwaffe (Bild: EADS)

Sprechen wir zuerst über Sie Herr Degel.

Wie sind Sie in die Flugzeugindustrie gekommen?

Schon früh hatte ich großes Interesse an der Fliegerei und wollte sogar Pilot werden, aber leider hat die Entwicklung meiner Sehstärke eine militärische Karriere in diesem Bereich verhindert. Gleichzeitig haben mich Technologie und komplexe Systeme schon immer fasziniert. Daher studierte ich Physik.

Nach so langer Zeit sind Sie immer noch fasziniert von der Aviatik?

Ja, die Begeisterung ist ungebrochen, einerseits für unsere hochklassigen Produkte und andererseits für das internationale Umfeld, in dem wir in der EADS und speziell auch im Eurofighter arbeiten. Denn Eurofighter ist ja ein partnerschaftliches Programm zwischen EADS, Deutschland und Spanien, BAE Systems, Großbritannien, und Alenia, Italien.

Wie sind Sie zu EADS und ins Eurofighter Programm gestoßen?

Unmittelbar nach meinem Studium, bzw. der Promotion, empfahlen mir meine Studienkollegen mich bei MBB zu bewerben, dem deutschen Vorgängerunternehmen von Dasa bzw. heute EADS. Ich habe dort als Systemingenieur begonnen und wurde im Laufe meiner Karriere mit unterschiedlichen Aufgaben in der Entwicklung und Programmabwicklung betreut. Zuletzt leitete ich das internationale Tornado - und Phantom F-4 Programm. Anfang 2008 wurde ich seitens meines CEO, Herrn Bernhard Gewert, zum Leiter der Eurofighter Kampagne Schweiz berufen, aufgrund der hohen Bedeutung dieses Projektes für die EADS. Das ist eine große Ehre und auch eine große Verantwortung, denn das gesamte Eurofighter Konsortium, das heisst alle Partnerfirmen und deren Luftwaffen sind voll darauf fokussiert, die Schweiz davon zu überzeugen, der nächste Partner in unserem starken Verband zu werden.

Eurofighter Typhoon, Italien (Foto: EADS)

Was ist Ihre Hauptaufgabe bei Eurofighter in der Schweiz?

Zunächst einmal ist das Büro Bern die Kontaktstelle für uns zur armasuisse, was die gegenseitige Übergabe von Dokumenten betrifft. Ich möchte an dieser Stelle kurz betonen, wie sehr wir die gegenseitige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Beschaffungsbehörde der Schweiz schätzen, generell verläuft die gesamte Evaluation aus unserer Sicht höchst professionell.
Daneben wollen wir natürlich hier vor Ort ein Gefühl für die Schweiz bekommen, dabei hilft uns auch der sehr gute Kontakt zu den Botschaften der Eurofighter Partnernationen.
Es ist außerdem - sozusagen - unsere Hauptinformationsstelle für unsere Argumente in der Schweiz. Wir wollen Sie davon überzeugen, dass Sie mit uns kein Risiko eingehen, gerade bei den langfristigen Kosten, der Versorgbarkeit und wir insgesamt der stabilste Partner sind.
Und natürlich starten wir von hier aus unsere Roadshows zu den vielen interessanten Firmen in der Schweiz, mit denen nicht nur wir hier von EADS, sondern alle unsere Partnerfirmen, die am Eurofighter beteiligt sind, Kooperationsmöglichkeiten entwickeln. Über 200 Unternehmen haben wir schon besucht, mit mehr als 170 gibt es bereits konkrete Projekte. Wir können der Schweiz hier wirklich ein langfristiges Programm für nachhaltige Hochtechnologieprojekte und den zugehörigen Arbeitsplätzen anbieten.

Lassen Sie uns nun über den Eurofighter Typhoon sprechen.

Eurofighter Typhoon Royal Air Force (Foto: EADS)

Wo liegen die Hauptfähigkeiten des Kampfflugzeuges Eurofighter Typhoon?

Eurofighter ist als Mehrrollenflugzeug für das 21. Jahrhundert ausgelegt. Er ersetzt insgesamt 11 Flugzeugtypen, darunter so prominente Muster wie F-16 in Italien, MiG 29 in Deutschland oder auch die F/A 18 und F-5 in Spanien. Er zeichnet sich durch eine überlegene Aerodynamik aus, das heisst speziell extreme Wendigkeit, was wichtig ist für den anspruchsvollen Schweizer Luftraum. Daneben haben wir die stärksten und zuverlässigsten Triebwerke in der Competition. Dies bedeutet das beste Verhältnis von Schub-Gesamtgewicht, die kürzeste Startstrecke und das schnellste Erreichen des Einsatzraumes - wichtig bei Quick Reaction Alert - sowie Lärmreduzierung, da Starts auch bei voller Beladung auch von allen Schweizer Flughäfen "trocken", also ohne Nachbrennereinsatz, erfolgen können.
Leistungsfähige Sensoren, hier besonders das starke Captor Radar, machen es für den Piloten möglich, auch Kleinstflugzeuge auf hohe Entfernung bei Luftpolizeieinsätzen schnell und sicher zu identifizieren. Die zahlreichen Selbstschutzmaßnahmen sorgen für Sicherheit des Piloten auch unter schwierigsten Einsatzbedingungen. So ist der Eurofighter der einzige Kandidat mit einem "Towed decoy", der auch der Schweizer Luftwaffe präsentiert wurde.
Der Eurofighter verfügt über eine optimierte Mensch-Maschine Schnittstelle, das heisst ein voll ausgereiftes Single-Seater Cockpit. Dazu gehören große Multi-Funktions-Displays, zahlreiche Autopilotmodi, HOTAS (Hands on throttle and stick), Direct Voice Input, etc. Dies bedeutet "care free handling" für den Piloten, das heisst Entlastung beim Fliegen und volle Konzentration auf die jeweilige Mission.

Wieviele Arbeitsstunden braucht der Eurofighter, um ihn eine Stunde in der Luft zu halten?

Eine Forderung der vier Luftwaffen, die an der Eurofighterentwicklung beteiligt sind, war, die Einsatzbereitschaft zu maximieren und die zugehörige Wartung zu minimieren. So gibt es keine vorgeschriebenen Wartungsintervalle beim Eurofighter vor der 400 Stunden Kontrolle und die durchschnittliche Mannstundenzahl ist mit 4,5 Stunden festgelegt.

Wie waren die Erfahrungen im Luftkampf über Nevada an den Red Flag Übungen?

Bisher hat Eurofighter nicht an der Übung Red Flag teilgenommen. Die Entscheidung liegt bei den Luftwaffen, hier steht zunächst Ausbildung und Schulung im Vordergrund. Eine Teilnahme an Green Flag hatte für die Briten höhere Priorität. Dies bedeutete mit sieben Flugzeugen eine gemeinsame Übung mit amerikanischen Luftstreitkräften. Im Anschluss daran, am 1. Juli 2008 , war das geplante Ziel der Einsatzbereitschaft für Luft-/Bodeneinsätze bei der Royal Air Force (RAF) erreicht.
Group Captain Stuart Atha, Kommandeur des RAF-Fliegerhorsts Coningsby, auf dem die an "Green Flag" teilnehmenden Flugzeuge beheimatet sind, betonte: "Mit dem Eurofighter Typhoon verfügen wir über ein Kampfflugzeug der Weltklasse. In der RAF gilt das Motto Agilität, Flexibilität und Leistungsfähigkeit ? und das ist genau das, was dieses Flugzeug beschreibt."

"Green Flag" ist eine kombinierte Luftwaffen- und Heeresübung unter Leitung der U.S.-Luftwaffe, bei der vor allem das Zusammenwirken zwischen Bodentruppen und Kampfflugzeugbesatzungen im Bereich der Luftnahunterstützung geübt wird. Sie findet im US-Bundesstaat Nevada statt.

Daneben haben wir vom 10. bis 14. März 2008 unter dem Namen "Typhoon Meet" in Morón de la Frontera (Andalusien) 20 Eurofighter zusammengeführt. Zum ersten Mal absolvierten hier vier Partner-Luftstreitkräfte aus Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien eine gemeinsame Übung mit dem Eurofighter durch.

Ziel der Übung war es, den Erfahrungsaustausch zwischen den Eurofighter-Verbänden der verschiedenen Nationen zu stärken und zu vertiefen. Dazu wurden sowohl Luftkampftaktiken wie auch Prozesse bei Instandhaltung und logistischer Unterstützung untereinander verglichen. Interoperabilität und grenzüberschreitende Kooperation ist einer der wesentlichsten taktischen Aspekte moderner Luftverteidigung. Daher flogen die Eurofighter in mehreren Formationen mit bis zu zwölf Maschinen gegen andere Kampfflugzeugtypen der spanischen Luftstreitkräfte wie F/A-18 Hornet oder Mirage F-1.

Eurofighter Typhoon at Green Flag (Bild: EADS)

Wie ist die Radar Cross Section verglichen mit dem Tornado und der F/A-18C?

Der Tornado ist für extremen Tiefflug entwickelt, die "radar cross section" war kein Designtreiber. Auch die F/A 18 ist ein Kampfflugzeug der 3. Generation und dementsprechend wuden nur wenige Maßnahmen zur Verringerung der RCS unternommen. Beim Eurofighter stand von Anfang an ein bestmöglicher Kompromiss zwischen überlegener Aerodynamik und low observability im Vordergrund. Details sind dabei u.a. das Design der Lufteinläufe sowie die insgesamt geringe Signatur. Darüber hinaus wurden weitere klassifizierte Massnahmen bei der Verwendung bestimmter Materialien vorgenommen.

Zur Kampfflugzeugausschreibung in der Schweiz, Tiger Teilersatz

Eurofighter Typhoon (Foto: EADS)

Wie ist der Eurofighter Typhoon gegenüber seinen zwei Wettbewerbern Saab Gripen und Rafale positioniert?

Wir sind klarer Marktführer mit vertraglich fixierten 707 Bestellungen, das heisst dem stabilsten Programm anhand dem wir der Schweiz unser Angebot machen können. Wir möchten die Schweiz einladen, der nächste Partner im starken Eurofighter Verbund von derzeit sechs Nationen zu werden und suchen nicht jemand, der das Programm finanziert. Wir garantieren für die nächsten 40 Jahre, dass der Eurofighter technologisch an der Spitze der Entwicklung in Europa stehen wird. Dabei wird die Schweiz von dem "Economy of Scale Effekt" nachhaltig profitieren sowohl bei Ersatzteilpreisen wie auch bei Modifikationen und Upgrades. Wir garantieren daneben die Unabhängigkeit der Schweiz aufgrund der Wahlmöglichkeiten in der militärischen Kooperation mit allein fünf europäischen Eurofighter Kunden, drei davon Nachbarn. Aufgrund des Zusammenschlusses im Eurofighter Konsortium von EADS, BAE Systems und Alenia bei der Plattform, sowie Rolls-Royce, MTU, Avio und ITP beim Triebwerk ? um nur die Hauptlieferanten zu nennen ? bieten wir auch das größte Potenzial für Beteiligung an nachhaltigen Wirtschaftsprojekten für die Schweiz. Sei das als Zulieferer im Airbus Programm, Kooperationen in Fortschrittsentwicklungen wie Energie und Umwelt oder auch im wachsenden Markt für Sicherheitstechnologie. Also zusammengefasst: Eurofighter bedeutet:

- Transparentes Kostengesamtpaket (Anschaffung, Unterhalt, Weiterentwicklungen)
- Erfahrungen im Aufbau und Unterstützung unterschiedlicher Luftwaffenkonzepte
- Wirtschaftlichkeit durch: economy of scale an Hand der Stückzahlen und Kostenteilung auf alle Nutzer
- Permanente Initiativen zu Kostensenkungen
- Versorgbarkeit über die Lebensdauer
- Kontinuierliche Weiterentwicklung des Waffensystems
- Partnerschaften mit echtem Technologietransfer
- Hohe Beteiligung der Schweizer Industrie

Wie viele Flugzeuge offerieren sie der Schweiz für die vorgesehenen 2,2 Milliarden Franken, inklusive Luft-Luft-Bewaffnung?

Armasuisse hat uns derzeit beauftragt, sowohl die Preise für 22 Flugzeuge samt umfassender Infrastruktur abzugeben sowie eine Alternative für 2,2 Mrd Franken. Bewaffnung wurde nicht angefragt, jedoch ist unser klarer Vorteil hier, dass die Schweizer F/A 18 Standardbewaffnung identisch mit der des Eurofighters ist. Es fallen also keine Mehrkosten für große Beschaffungen, Logistik und Ausbildung an.

Zum Angebot können wir sagen, dass wir in beiden Fällen ein komplettes, vollkommen transparentes und ? wie wir meinen ? sehr attraktives Gesamtpaket angeboten haben. Da der Prozess mit einer finalen Angebotsabgabe am 6. November noch voll im Gang ist, bitte ich um Verständnis, dass wir hier im Moment keine näheren Angaben machen können.

RAF Eurofighter Typhoon, Abschuss ASRAAM (Foto: EADS)

Warum soll die Schweiz den Eurofighter Typhoon beschaffen? (Nur die wichtigsten drei Punkte)

Mit einer Entscheidung für den Eurofighter, dem derzeit meistverkauften und modernsten Kampfflugzeug seiner Klasse, bleibt die Schweiz auf Augenhöhe mit der aktuellen Technologieentwicklung und kann mittelfristig auch eine kosteneffiziente Einflottenpolitik realisieren, wenn die F/A 18 ihr Lebensende erreichen. Sie behält ihre Unabhängigkeit und hat die Wahl aus allein fünf Nationen in Europa, drei davon Nachbarn mit unterschiedlichsten Trainingsräumen. Wir offerieren ausserdem mit Abstand das größte Angebot für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit und damit zusätzliche Arbeitsplätze, höhere Steuereinnahmen und nachhaltigem Technologie-Transfer. Und vor allem sind wir die kosteneffizienteste Lösung für die Schweiz aufgrund der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Eurofighters sowie des economy of scale und cost share Aspektes der wachsenden Eurofighter Community.

Eurofighter Typhoon RAF (Foto: EADS)

Herr Doktor Degel, Herr Doktor Liemandt und Herr Wolff besten Dank für das Interview und das angeregte Gespräch über den Eurofighter Typhoon für unser Online Magazin FliegerWeb.com

Das Gespräch führte Robert Kühni

Link: Weitere Informationen zum Eurofighter finden Sie hier.

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