Herbstflug in den 1980er Jahren

01.07.2016 RK
Hawker Hunter Swiss Air Force
Hawker Hunter Swiss Air Force (Foto: Schweizer Luftwaffe)

Ein Herbsttag wie jeder, fast wie jeder, heute haben wir einen Flugauftrag von Dübendorf über Fribourg nach Turtmann zu fliegen und unterwegs einen Viadukt im Mittelland anzugreifen.

Unser Einsatzflug führt uns von Dübendorf ins Wallis

Die Feindlage sieht düster aus, Feind Rot ergiesst sich mit voller Kraft über das Schweizer Mittelland, starke Panzerkräfte sollen über das noch intakte Bahnnetzt ins Seeland gebracht werden und genau dieses Vorhaben sollen unsere Hunter heute verhindern.

Hawker Hunter Swiss Air Force (Foto: Schweizer Luftwaffe)

Das Wetter beschäftigt uns jedoch mehr als die supponierte Feindlage. In der Nacht durchquerte eine Schlechtwetterfront unser Land, diese sorgt weitherum für eine tiefhängende Wolkenschicht, ab und zu soll auch leichter schauerartiger Regen zu erwarten sein, dieser könnte die Sicht auf dem Flug ins Zielgebiet stellenweise stark beeinträchtigen. So sieht das Wetterbriefing von den Meteo Soldaten aus. Zum Glück sind wir uns Tiefflüge mit hoher Geschwindigkeit bei schlechtem Wetter gewohnt. Unsere Planung sieht einen Abflug über Bremgarten vor, dort gehen wir in den Tiefflug über, fliegen entlang der Reuss zum Vierwaldstättersee und fädeln ins Entlebuch nach Escholzmatt ein, von dort aus geht es nach Schwarzenburg und der Sense entlang weiter nach Laupen, wo wir den Angriff auf die Eisenbahnbrücke starten werden. Den Abflug planen wir über das Freiburgerland nach Vevey, wo wir dann über den Genfersee ins Wallis einschwenken, um gemütlich nach Turtmann zu gondeln.

Angegriffen wird mit ungelenkten 200 kg Bomben, je zwei dieser Bomben tragen wir unter dem Flügel. Acht Maschinen nehmen an dem Angriff teil, je zwei sollen in lockerer Formation ins Einsatzgebiet fliegen und die Bomben dort ins Ziel bringen. Abstand zwischen den Patroullien sind vier Minuten, der Spuk über der gut verteidigten Brücke wird also etwa 20 Minuten dauern.

Die technischen Warte haben unsere Hunter sauber bereitgestellt, in Reihe und Glied stehen sie da und wollen wie wir, in die Luft gehen. Jeder Pilot macht zusammen mit seinem Wart noch einmal den Outside Check. Mein Hunter ist Flugbereit, ich richte mich im Cockpit ein, starte das Triebwerk, mache alle Checks und melde mich beim Tower Abflugbereit. Ich mache mit meinem Flügelmann Blue2 den Anfang.

Hawker Hunter Swiss Air Force (Foto: Aldo Bidini)

Auf der Piste 23 geben wir Vollgas unser Rolls Royce Avon Triebwerk brüllt auf und setzt meinen liebgewonnen Hunter kraftvoll in Bewegung. Bei einer Geschwindigkeit von 140 Knoten (260 km/h) rotiere ich den Jet und fahre kurz nach dem Start das Fahrwerk ein. Auf einer Höhe von 2.500 Fuss (752 Meter) geht es schon wieder in den Horizontalflug über, alle Checks sind erledigt, nun wird gekoppelt, Satellitennavigation sucht man in unserem Kampfjet vergeblich, das GPS stand Ende der 1980er Jahre noch nicht zur Verfügung. Kurz vor Bremgarten lege ich über dem Mutschellen meinen Hunter auf den Rücken und ziehe ins Reusstal runter, dort werden sich unsere beiden Hunter an den Boden krallen, um möglichst tief und unerkannt ins Zielgebiet zu gelangen, auf unserem Kanal herrscht absolute Funkstille, die Koordination mit den kontrollierten Lufträumen von Emmen und Bern übernehmen unsere taktischen Flugverkehrsleiter. Für uns Piloten ist dieser Tiefflug schönste Handarbeit, die bewaldeten Hügelzüge mit den goldgefärbten Herbstkleidern ziehen neben uns vorbei, geniessen können wir die schöne Landschaft nicht, zu tief hängen die Wolkenfetzen, denen wir mit Respekt begegnen. In die Wolken dürfen wir nicht geraten, sonst müssten wir die Maschine rasch hochziehen und auf eine sichere Höhe steigen, der Einsatz wäre dann fehlgeschlagen.

Über Escholzmatt nehmen wir Kurs auf Münsigen, von dort geht es dann östlich vom Belpberg in Richtung Schwarzenburg, kurz vor Schwarzenburg durchfliegen wir ein Regengebiet, das wir mit leicht reduzierter Geschwindigkeit passieren, damit die Reaktionszeit erhöht und der Stress vermindert werden kann, gemeistert, über Schwarzenburg drehen wir über die Sense ein und folgen ihr bis ins Zielgebiet. Bei dem Schloss von Laupen drehen wir straff ins Saanetal ein, ziehen den Hunter mit vier G rauf und setzen zum Angriff auf den Viadukt an, auf einer Höhe von rund 800 Meter drehe ich den Hunter auf den Rücken, ziehe ihn nach unten und visiere die Brücke an, Bombe eins ausgelöst und kurz darauf zischt die zweite Bombe auch runter, hoffentlich liegen sie im Ziel, geht es mir rasch durch den Kopf, abfangen und auf Kurs Südwest in Richtung Romont drehen. Das Wetter hat sich ab Schwarzenburg wie erwartet gebessert, bereits im Zielgebiet zeigten sich erste blaue Löcher in der Wolkendecke.

Den Abflug aus dem Zielgebiet ist reiner Fluggenuss, bestes Rückseitenwetter, kleine Wolkenbäuschchen sind noch Zeugen der Schlechtwetterfront, die uns über dem Thunerland noch das Leben schwer gemacht hat. Bei Romont drehen wir auf kürzestem Weg über Villeneufe ins Wallis rein und fliegen bei schönstem Herbstwetter nach Turtmann, wo wir unsere beiden Hunter sanft landen.

Hawker Hunter Swiss Air Force (Archiv: Robert Kühni)

Die Zielaufnahmen zeigten, dass unsere acht Hunter erfolgreich waren, der Viadukt konnte so beschädigt werden, dass die roten Kräfte die starken Panzerverbände nicht mit dem Zug ins Seeland transportieren konnten und ihren Brückenkopf für ein weiteres Vordringen in Richtung Westen nicht ausbauen konnten.

Robert Kühni

 

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