Ford Flivver

01.11.2014 EK
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Ford Flivver, Land: USA Mit der Ford Flivver wollte man bei Ford das Flugzeug für Jedermann erschaffen, die Maschine blieb jedoch erfolglos. Spannweite: 6,63 m, Länge: 4,72 m, Geschwindigkeit: 142 km/h.

Mitte der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatte Henry Ford mit dem Model T, der legendären Tin Lizzy, den Serienbau von Automobilen erfolgreich verwirklicht und damit das Auto für Jedermann kreiert, dessen Preis durch die Massenfertigung auch für Normalverdiener erschwinglich war. Gleichzeitig hatte die Ford Aircraft Division mit den verschiedenen Modellen der Ford Trimotor, den in Serie gefertigten dreimotorigen Verkehrs- und Postflugzeugen, großen Erfolg. Was lag da näher neben ?Everyman?s Vehicle? dem Model T, nun ?Everyman?s Aircraft? zu entwickeln, zumal die Idee eines Flugzeuges für Jedermann damals bei verschiedenen amerikanischen Erfindern und Flugzeugfabrikanten die Runde machte. Auch in Europa beschäftigte man sich mit derartigen Fluggeräten, man denke nur an Hans Klemm mit seiner L 15 bei Mercedes Benz in Sindelfingen. Die Idee zu einem Volksflugzeug wurde von William Bushnell Stout, dem Generalmanager der 1224 von Ford erworbenen Stout Metal Airplane Company beiläufig bei Henry Ford vorgetragen, der sich sofort dafür begeisterte und auch schon die Größe des zukünftigen Flugzeugs vorgab, es sollte in seinem Büro montierbar sein und auch Platz haben, jedenfalls behauptete dies der Konstrukteur der Maschine, Otto C. Koppen. Henry Ford, der von seiner Idee so begeistert war, dass in jeder Garage in der ein Model T stand auch für ein Ford Flugzeug Platz sei sollte, beauftragte Otto C. Koppen mit der Entwicklung des Flugzeugs. Koppen der als Konstrukteur bei der Stout Metal Airplane Division of the Ford Motor Company arbeitete, war vom Aeronautical Department des Massachusetts Institute of Technology zu Ford gekommen. Mit dem zu entwickelnden Flugzeug wollte Ford nachweisen, dass ein solches Flugzeug mit entsprechenden Leistungen und Flugverhalten zu relativ niedrigen Kosten in Serie gebaut werden könne. Koppen begann mit seinem kleinen Team sich intensiv mit der Problematik zu beschäftigen und bald konnte man den Entwurf Henry Ford vorlegen.

Ford Flivver (Archiv: Eberhard Kranz)

Konstruktionsmerkmale der Ford Flivver

Die Maschine war vorerst ein einsitziger freitragender Tiefdecker in Gemischtbauweise mit einem Heckrad und einem freitragenden Normalleitwerk. Als Antrieb hatte man einen luftgekühlten Dreizylinder-Sternmotor Anzani Radial mit einer Startleistung von 36 PS vorgesehen, der später durch einen luftgekühlten Zweizylinder-Boxermotor eigener Fertigung ersetzt werden sollte. Der Entwurf machte einen für damalige Verhältnisse klaren modernen Eindruck, selbst das renommierte englische Fachblatt ?Flight? schrieb in seiner Ausgabe vom 17. Februar 1927: ??it is of exeptionally clean appearance, there being no bracing wires or struts-exepting the undercarriage struts and the simple tail unit bracing- to offer unnecessary head resistance. The fuselage is a normal structure of wood longerons braced with steel wire and fabric covered with a comfortable cockpit for the pilot in which the seat is so arranged that he sits high up and has an excellent range of vision?? Der Rumpf war eine geschweißte Stahlrohrkonstruktion, mit hölzernen Spanten und innerer Stahlseilverspannung. Im Motorbereich hatte man als Verkleidungsmaterial wegen der Brandgefahr Leichtmetall verwendet. Der restliche Rumpf war mit imprägnierter Leinwand bespannt. Hinter dem mit einem Brandschott abgegrenzten Motorbereich befand sich der 50 Gallonen (189,27 Liter) fassende Kraftstofftank. Das Cockpit verfügte über einen bequemen gepolsterten Ledersitz für den Piloten und hatte einen Zündschalter zum Starten des Motors, einen Drehzahlmesser, einen Höhenmesser, eine Geschwindigkeitsanzeige sowie eine Kontrolllampe für niedrigen Kraftstoffvorrat. Über den Steuerknüppel wurden sowohl die Höhenruder, das Seitenruder und die Querrudermittels Drahtseilen betätigt. Der Motor war bei den ersten beiden Maschinen ein luftgekühlter Dreizylinder Sternmotor Anzani, der eine feststehende Holzluftschraube, die Koppen extra für die Maschine entwickelt hatte, antrieb. Die späteren Maschinen erhielten einen luftgekühlten Zweizylinder-Boxermotor aus der Fordproduktion, der auf Teile des Wright ?Whirlwind? zurück griff, und über Graugußzylinder und Leichtmetallkolben verfügte. Der Hubraum betrug 2.340 cm², aus dem 40 PS Startleistung erzeugt wurden. Die Auspuffrohre verfügten über je einen Schalldämpfer aus der Serienfertigung des Model T, die die Motorgeräusche um 50 Prozent reduzierten. Die Tragflächen waren zweiholmige Holzkonstruktionen mit formgebenden Rippen, die ebenfalls mit imprägnierter Leinwand bespannt waren. Das Tragflächenprofil war ein Göttingen 387, was den relativ dicken Flügel erklärt. Die Tragflächen waren wegen der besseren Unterbringung abnehmbar und wurden durch Stehbolzen und entsprechende Muttern mit dem Rumpf verbunden. Über die gesamte Hinterkante der Tragfläche war das Querruder angebracht, eine Sperrholzkonstruktion, die ebenfalls mit Leinwand bespannt war. Das Fahrwerk bestand aus den beiden Hauptfahrwerken, die mit einer Strebe an dem Hauptholm der Tragfläche angebaut war und gummigefedert war. Das Federpaket bestand aus Tellerfedern aus Gummi, die immer durch Messingscheiben getrennt waren und in einer Stahlhülse sich bewegen konnten. Die Hauptstrebe war durch zwei Stahlrohre, die am Rumpfspant, der den Motorraum begrenzte, angeschlagen waren. Die Räder, bei den ersten beiden Maschinen noch Speichenräder, später Scheibenräder, waren luftbereift und ungebremst, was auch schon zu dieser Zeit ziemlich ungewöhnlich war. Es gab keine durchgehende Achse. Das Heckrad war in die Kontur der Seitenflosse eingebaut und wurde ebenfalls mit Gummifedern gedämpft, um 60 Grad lenkbar (die Lenkung erfolgte über Stahlseile und Umlenkrollen) und es war das einzige gebremste Rad der Maschine, wodurch ein ungleiches Bremsen, verbunden mit einem Ausbrechen des Flugzeuges, verhindert wurde.

Ford Flivver (Archiv: Eberhard Kranz)

Flugerprobung der Ford Flivver

Anfang Juli 1926 war der erste Prototyp fertig gestellt, wobei der Bau nicht in der Stout Airplane Division erfolgte, sondern in der Versuchsabteilung der Ford Automobilwerke, da sowohl William B. Stout, der eigentliche Vater der Idee, als auch William Benson Majo, der Chef der Ford Aircraft Division, gegen den Bau der Maschine waren. Von den Beschäftigten erhielt das Maschinchen schnell den Kosenamen ?Flivver?, zu Deutsch Blechkiste. Der Erstflug erfolgte am 16. Juli 1926 durch den Chefpiloten der Ford Airplane Division, Harry J. Brooks, einem engen Freund Henry Fords. Später flog Brooks mit der Maschine regelmäßig von seinem Haus zur Arbeit. Er flog auch den zweiten Prototyp in einem Luftrennen gegen Gar Woods ?Miss America V? über dem Detroit River während des Harmsworth Pokal Rennens. Der ?Flight? bemerkte in der bereits erwähnten Ausgabe dazu: ??Harry Brooks, who has flown the Ford ?Flivver? reports the machine to be excellent on the controls, very easy to fly, and the pilot?s position gives him excellent vision? The ?Flivver? has a remarkably good climb and low landing speed, whist on the ground it can be manoeuvred with the greatest possible ease.? Übrigens, Charles Lindbergh, den man später in die Werbung für das neue Flugzeug einschaltete, hatte am 11. August 1927 die Gelegenheit den Flivver auf dem Ford Field zu fliegen. Er war ganz anderer Meinung als Brooks und beschrieb die Maschine später als eines der schlimmsten Flugzeuge (worst aircraft), die er je geflogen habe. Am 30. Juli 1926, dem 63. Geburtstag von Henry Ford, wurde die Maschine offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt.

Ford Flivver (Archiv: Eberhard Kranz)

Die Ford Flivver blieb erfolglos

Um die Werbekampagne zu forcieren, hatte man dem dritten Prototyp mit der Werksnummer 3218 neben dem neuen, stärkeren Zweizylinder-Boxermotor auch neue Tragflächen mit größerer Spannweite von 6,705 m angebaut. Mit dieser Maschine wollte man den Langstreckenrekord in der Klasse C (Leichtflugzeuge von 200 bis 400kg) aufstellen. Der Flug begann vom Ford Field in Dearborn (Michigan) und sollte nach Miami (Florida) gehen. Beim ersten Versuch am 24. Januar 1928, wobei Henry Ford als Sportzeuge auftrat, erreichte die Maschine Ashville in North Carolina, konnte von dort aber wegen technischer Probleme nicht weiterfliegen. Beim zweiten Versuch am 21. Februar 1928, hier war Edsel Ford Sportzeuge, startete Brooks mit dem zweiten Prototyp von Detroit und erreichte Titusville in Florida, wo er wegen einer Unwucht am Propeller landen musste, nach einer erfolgreichen Reparatur flog er weiter und erreichte mit 972 Meilen (1.564 km) einen neuen Klassenrekord. Den Rückflug wollte Brooks ohne Zwischenlandung durchführen. Am 25. Februar startete Brooks und flog über den Atlantik davon. Dort muss der Motor in der Nähe von Melborne, Florida ausgesetzt haben, denn Teile der Maschine wurden an Land gespült, doch der Pilot Harry GH. Brooks wurde nie gefunden. Bei der Untersuchung der Wrackteile fand man Streichhölzer in den Lüftungsbohrungen des Tanks, dadurch bekam der Motor keinen Treibstoff mehr und blieb stehen. Als Ergebnis des Absturzes und des Verlustes seines Freundes stoppte Henry Ford die weitere Entwicklung des Leichtflugzeuges Flivver unter dem Namen Ford. Insgesamt wurden nur fünf Prototypen vom Flivver gebaut, zwei mit dem Anzani Radial Motor und drei mit dem Zweizylinder Boxermotor Ford, auch als Flivver 2A bezeichnet.

Ford Flivver (Archiv: Eberhard Kranz)

Bei Scout probierte man es noch einmal

Erst 1931 versuchte man bei Stout einen neuen Anlauf mit einem Sky Car, auch Sky Flivver genannt. Das Modell blieb erfolglos und es wurden nur zwei Prototypen gebaut. 1936 unternahm man bei Ford einen letzten Versuch, ein Leichtflugzeug zu entwickeln. Unter Bezeichnung Model 15-P baute man einen Zweisitzer. Während der Flugerprobung stürzte die Maschine über dem Ford Field in Dearborn ab. Der Pilot konnte sich mit dem Fallschirm retten, trotzdem wurde die weitere Entwicklung abgebrochen. Ein Orginal Ford Flivver ist im Henry Ford Museum in Detroit zu sehen, zwei gute Nachbauten kann man im Air Venure Museum in Midland und im Florida Air Museum sehen. Dieser Nachbau wurde von Otto C. Koppen, dem Konstrukteur der Flivver betreut.

Ford Flivver (Archiv: Eberhard Kranz)

Technische Daten: Ford Flivver

Land: USA
Verwendung: Leichtflugzeug
Triebwerk: ein luftgekühlter Dreizylinder Sternmotor Anzani Radial mit festem Zweiblatt-Holz-Propeller
Startleistung: 36 PS (26,47 kW)
Dauerleistung: 30 PS (22,06 kW) in 2.000 m
Besatzung: 1 Mann
Erstflug: 16. Juli 1926

Spannweite: 6,63 m
Länge: 4,72 m
größte Höhe: 1,76 m
Propellerdurchmesser: 1,524 m
Propellerfläche: 1,824 m²
Spurweite: 3,60 m
Radstand: 3,24 m
Flügelfläche: 8,56 m²
V-Form: +0,5°
Flügelstreckung: 5,14
Massen: TBD
Leermasse: 227 kg
Startmasse normal: 416 kg
Startmasse maximal: 456 kg
Tankinhalt: 189,27 Liter
Flächenbelastung: 53,27 kg/m²
Leistungsbelastung: 12,67 kg/PS (17,23 kg/kW)
Leistungen: TBD
Höchstgeschwindigkeit in Bodennähe: 140 km/h
Höchstgeschwindigkeit in 2.000 m: 142 km/h
Marschgeschwindigkeit in 800 m: 115 km/h
Mindestgeschwindigkeit: 48 km/h
Landegeschwindigkeit: 40 km/h
Gipfelhöhe: 2.500 m
Steigleistung: 2,0 m/s
Steigzeit auf 1.000 m: 10 min
Steigzeit auf 2.000 m: 25 min
Reichweite normal: 600 km
Reichweite maximal: 750 km
Flugdauer: 5,5 h

Text: Eberhard Kranz

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