Focke Wulf Fw 159

09.12.2015 EK
Focke Wulf Fw 159
Focke Wulf Fw 159 (Archiv: Eberhard Kranz)

Bei der Focke Wulf Fw 159 handelt es sich um ein erfolgloses deutsches Jagdflugzeug. Das Flugzeug ging wegen technischer Probleme und schlechten Flugleistungen nie in die Serienfertigung.

Focke Wulf Fw 159

Anfang 1934 forderte die Abteilung LC II/1 b, verantwortlich für Jagd- und Aufklärungsflugzeuge, beim Technischen Amt im Reichsluftfahrtministerium, geleitet von Friedrich Christiansen, in einer Ausschreibung ein Verfolgungsjagdflugzeug (V.J.), das die Jagdflugzeuge der ersten Stunde, die Doppeldecker Arado Ar 65, Arado Ar 68 und Heinkel He 51 ablösen soll. Basierend auf den Taktischen Forderungen des Heeres (die Luftwaffe gab es offiziell noch nicht) wurden für das Rüstungsflugzeug IV (V.J.) folgende Leistungswerte gefordert:

Höchstgeschwindigkeit: 400km/h in 6.000 m

Flugdauer: 90 Minuten Vollgasflugflug in 6.000 m

Steigzeit auf 6.000 m 7 Minuten

Dienstgipfelhöhe: 10.000 m

Anschwebestrecke bis 20 m Höhe: 400 m

Flugplatzgröße: Rollfeld 400 m x 400 m

Bewaffnung: zwei starre Maschinengewehre MG 17 mit 1.000 Schuß pro Waffe oder eine starre 20 mm Kanone mit 200 Schuß

Ausführung als Eindecker

möglichst Ganzmetallbauweise

möglichst einziehbares Hauptfahrwerk

Antrieb: wassergekühlter 12 Zylinder Reihenmotor Jumo 210 G mit 670 PS Startleistung (492 kW)

Flächenbelastung: maximal 100 kg/m²

Für die Prototypen standen, falls der Jumo noch nicht verfügbar wäre, Rolls Royce „Kestrel“ zur Verfügung

Beste Sicht für den Luftkampf

Das Flugzeug muß von jedem Durchschnittsführer beherrscht werden können.

Die Höchstgeschwindigkeit in Arbeitshöhe muß mehrfach bis zu 20 Minuten Dauer eingehalten werden

Flugfähigkeit bis zur praktischen Sturzflugendgeschwindigkeit

Das Flugzeug muß, wenn es überhaupt ins Trudeln gebracht werden kann, leicht herauszunehmen sein.

Die Leistungen sind in dieser Reihenfolge zu bewerten:

  1. Horizontal-Fluggeschwindigkeit

  2. Steiggeschwindigkeit

  3. Wendigkeit

Mit der Entwicklung eines Flugzeuges entsprechend dieser Ausschreibung werden im Februar 1934 drei Firmen beauftragt, Arado, Heinkel und die Bayrischen Flugzeugwerke. Es entstehen so die Arado Ar 80, die Heinkel He 112 und die Messerschmitt Bf 109, von denen je drei Prototypen bestellt werden. Außer den drei Firmen erhält auch Focke Wulf, allerdings erst im September 1934, ebenfalls den Entwicklungsauftrag für den V.J. Die Maschine erhält die Typennummer 159 zugeteilt. Dabei wurde Focke Wulf  die Auslegung als Hochdecker nahegelegt, quasi eine vergrößerte und stärkere Focke Wulf Fw 56. Diese Forderung beruhte auf der einhelligen Einschätzung von allen Sachverständigen, die anlässlich des Europa-Rundfluges 1934 in Warschau das polnische Jagdflugzeug PZL P-11gesehen hatten und es danach als die optimale Lösung für ein Jagdflugzeug betreffs Flugeigenschaften, Sichtverhältnisse und Leistungen bezeichneten. Der neue Leiter des Entwurfsbüros bei Focke Wulf, Kurt Tank, beauftragte Oberingenieur Rudolf Blaser, der von Albatros gekommen war, mit der Konstruktion eines entsprechenden Flugzeuges, wobei man den Zeitverlust gegenüber den anderen drei Mitbewerbern durch eine extrem kurze Entwicklungszeit aufholen will.

Focke Wulf Fw 159 (Archiv: Eberhard Kranz)

Konstruktionsmerkmale der Focke Wulf Fw 159

Die Fw 159 ist ein einmotoriger, abgestrebter Hochdecker in Ganzmetallbauweise mit geschlossener Kabine, Einziehfahrwerk und freitragenden Normalleitwerk. Rudolf Blaser ging konzentriert mit seinem Entwicklungsteam an die ehrgeizige Aufgabe heran. Das Hauptproblem stellte sich von Beginn an sehr deutlich dar, wo sollte das einziehbare Fahrwerk bei einem Hochdecker untergebracht werden und wie mußte es konstruktiv ausgelegt sein? Dazu lagen keinerlei Erfahrungen vor, zumal bei Focke Wulf bisher nur feste Fahrwerke verwendet worden waren, lediglich die in der Entwicklung befindliche Fw 58 „Weihe“ sollte ein einziehbares Fahrwerk erhalten, doch die Fw 58 war ein zweimotoriger Tiefdecker, wo die Triebwerksgondeln genug Platz für das eingefahrene Fahrwerk boten, auch waren die Fahrwerksbeine deutlich kürzer und stabiler auszulegen. Doch von dieser Entwicklung konnte Blasers Team nicht profitieren, die Aufgabe bei der Fw 159 stellte sich völlig anders. Der Rumpf mit einem ovalen Querschnitt war im vorderen Teil als Stahlrohrgerüst ausgelegt, auf das die Formbleche aus Leichtmetall mit Senkschrauben befestigt waren. Durch diese Ausführung waren die die wichtigsten Einbauten wie Triebwerk, Bewaffnung und Fahrwerk leicht zugängig, was für die Wartung von großer Bedeutung war. Das Rumpfhinterteil war ab der Pilotenkabine in Ganzmetall-Schalenbauweise ausgeführt. Die Pilotenkabine war ähnlich der Fw 56 ausgelegt, in Unterschied zu dieser jedoch komplett verglast, wobei die Glashaube auf zwei Schienen nach Hinten geschoben werden konnte. Die dreiteilige Frontscheibe bestand aus beschussfestem Glas. Als Triebwerk war der wassergekühlte hängende 12 Zylinder Reihenmotor Jumo 210 G vorgesehen, wobei man den Kühler unter dem Rumpf aerodynamisch geschickt in die Rumpfkontur einfügte. Der Motor trieb einen festen Zweiblatt-Holzpropeller an. Der Kraftstofftank mit einem Fassungsvermögen von 320 Litern war vor und unter der Pilotenkabine angebracht und konnte im Notfall abgeworfen werden. Die Bewaffnung, bestehend aus zwei 7,9 mm Maschinengewehren MG 17 baute man oberhalb des Motors ein, wo sie synchronisiert durch den Propellerkreis feuerten. Statt der geforderten 1.000 Schuß pro Waffe konnten aus Platzgründen nur 500 Schuß untergebracht werden. Das einziehbare Fahrwerk mußte in den Rumpfboden seitlich des Kühlers untergebracht werden, dabei stand nur etwas Platz zur Verfügung wie das Rad allein benötigte. Also mußten die ölhydraulisch gedämpften Fahrwerksbeine mit zwei Gelenken versehen werden, um sie unterzubringen. Dies sollte hydraulisch erfolgen. Für solch eine Lösung gab es bisher keinerlei existierende Vorbilder. Die Hauptfahrwerksräder wurden auch hydraulisch gebremst. Das ungebremste feste Spornrad war um 45° lenkbar. Der Tragflügel war dreiteilig aufgebaut. Der Mittelflügel, auch Baldachin genannt, war auf zwei N-Stielen, die durch diagonal verspannte Drahtseile stabilisiert werden über dem Rumpf befestigt. Dadurch erhielt der Pilot eine einwandfreie Sicht nach unten. Um die Sicht nach oben zu verbessern, war die Hinterkante des Mittelflügels trapezförmig ausgeschnitten. Die Außenflügel mit konstanter Flügeltiefe waren zweiholmig aufgebaut und mit Leichtmetall beplankt. Zum Rumpf hin wurden sie durch je einen I-Stiel abgestützt. Vom I-Stiel ging noch ein zusätzliches aerodynamisch geformtes Drahtseil zum Außenflügel. Die Querruder und die Bremsklappen waren über die ganze Länge der Hinterkante der Außenflügel angebracht. Die Querruder waren stoffbespannte Metallkonstruktionen, während die Bremsklappen mit Leichtmetall verkleidet waren. Das Höhenleitwerk befindet sich wie bei den letzten Albatrosflugzeugen vor dem Seitenleitwerk. Gleichzeitig befindet sich das Seitenruder über dem Höhenleitwerk. Durch diese Anordnung sollte die Maschine trudelsicher gemacht werden. Das komplette Leitwerk war ebenfalls eine Ganzmetallkonstruktion, lediglich die Höhen- und Seitenruder waren mit Stoff bespannt. Die verstellbaren Trimmklappen waren mit Leichtmetall verkleidet. Die auf dem Tragflügel angebrachte verstellbare Störklappe, mit der sich der Gleitwinkel leicht ändern und steuern ließ, war von der Fw 56 übernommen worden. Mit ihr konnte man den Auftrieb verringern und die Sinkgeschwindigkeit erhöhen. Nachdem im Juni 1935 die Attrappe von den Vertretern des RLM besichtigt und für gut empfunden worden war, war das erste Versuchsmuster, die Fw 159 V1, Werksnummer 932, bereits im November 1935 fertig gestellt. Die Maschine erhielt die Kennzeichnung D-IUPY.

Focke Wulf Fw 159 (Archiv: Eberhard Kranz)

Flugerprobung der Focke Wulf Fw 159

Am 16. Dezember 1935 startete Werkspilot Wolfgang Stein mit der Maschine zum Erstflug, der 30 Minuten dauern sollte. Nachdem Stein das vorgesehene Programm ohne Komplikationen abgearbeitet hatte und zur Landung ansetzen wollte, mußte er feststellen, daß sich das Fahrwerk nicht komplett ausfahren ließ. Ursache für dieses Problem liegt bei dem zu schwach ausgelegten Hydrauliksystem. Der Druck ist nicht ausreichend, um das Fahrwerk gegen den Luftstrom nach vorn zu drücken und einrasten zu lassen. Das Flugzeug steckt nur ein Fahrwerk heraus, das wieder eingezogen wird, wenn das andere ausgefahren wird. Die Fw 159 strampelt praktisch mit den Beinen. Stein versucht alle Kniffe, um die störrische Hydraulik zu überlisten. Vergebens, er muß eine Bauchlandung riskieren, was mit dem Hochdecker nicht problemlos ist. Da der Tank bei der Fw 159 V1 noch nicht abwerfbar ist, fliegt er den Tank leer und landet dann, was zum Totalschaden führt. Selbst hat er Glück und bleibt bis auf einige Schrammen an den Händen und im Gesicht unverletzt. Die fast fertige Fw 159 V2, Werksnummer 933 und Kennung D-INGA wird umgebaut und erhält ein wesentlich verstärktes Hydrauliksystem und eine neue Fahrwerksmechanik. Im März 1936 wird die Fw 159 nach Rechlin überführt, wo die Vergleichsflüge der Wettbewerbsmodelle bereits praktisch entschieden sind. Auch sind die Fahrwerksprobleme längst nicht beseitigt, die Maschine bricht sich mehrmals die Beine. Man experimentiert mit verschiedenen Luftschrauben, weil Kurt Tank immer noch von den fliegerischen Qualitäten der Fw 159 überzeugt ist. Mit einem verstellbaren Dreiblatt-Metallpropeller erreicht man schließlich eine Höchstgeschwindigkeit von 403 km/h in 4.500 m.

Focke Wulf Fw 159 (Archiv: Eberhard Kranz)

Die Focke Wulf Fw 159 blieb ein Prototyp

Die Fw 159 V3, Werksnummer 934 und Kennung D-IGQO wird noch fertiggestellt, da das Fahrwerk aber immer noch Probleme macht, nur selten geflogen. Bei Focke Wulf gibt man trotzdem nicht auf, Reinhard Blaser modifiziert den Entwurf, sieht den stärkeren DB 601 als Antrieb vor, überarbeitet das Flugzeug aerodynamisch und errechnet eine Höchstgeschwindigkeit von 510 km/h in 4.500 m und eine Steigleistung von 12,6 m/s. Im April 1937 wird der Entwurf als Fw 259 dem Technischen Amt vorgestellt. Dessen Entscheidung erfolgt bereits kurz danach. Man teilt Focke Wulf mit: „Nullserie wird nicht gebaut, da das Flugzeug für eine Beschaffung nicht mehr interessant.“ Damit endet der erste Versuch von Focke Wulf zur Schaffung eines modernen Jagdflugzeuges mit einem totalen Misserfolg. Die Auslegung als Schulterdecker mit einem abgestrebten Flügel über dem Rumpf, dessen Innenraum zum großen Teil durch ein schweres und kompliziertes Fahrwerk ausgefüllt war, über einen wesentlich höheren Frontwiderstand verfügte und wesentlich schwerer bei gleicher Motorleistung war, ließ der Fw 159 gegenüber  den Tiefdeckern, die aerodynamische Einheit bildeten, keine Chancen. Die Flugeigenschaften sollen der Fw 56 ähnlich gewesen sein, Stein erwähnte eine relativ hohe Abkippgeschwindigkeit, einen sehr großen Kurvenradius und eine mäßige Steigleistung. Ernst Udet flog gerne mit der Fw 159 V2. Zum Gaudium der Zuschauer ließ er im Tiefflug das Fahrwerk ein und ausfahren. Die Hydraulik schaffte es immer noch nicht, beide Fahrwerksbeine gleichzeitig auszufahren, das Flugzeug watschelte immer noch im Entengang. Wie bekannt, fiel die Entscheidung des RLM für das Standardjagdflugzeug zugunsten der Bf 109. Aber bald erhielt Kurt Tank eine zweite Chance, die er nutzte und die zur Entwicklung der Fw 190 führte. Die beiden Prototypen der Fw 159 wurden an Focke Wulf zurückgegeben und Anfang der vierziger Jahre schließlich verschrottet.

Focke Wulf Fw 159 (Archiv: Eberhard Kranz)

Technische Daten: Focke Wulf Fw 159

Land: Deutschland

Verwendung:  Jagdflugzeug

Triebwerk: ein wassergekühlter 12-Zylinder Reihenmotor Jumo 210 G  mit  festem Zweiblatt-Metallpropeller, später mit einem verstellbaren Zweiblatt- oder Dreiblatt-Metallpropeller

Startleistung: 670 PS  (492 kW)

Dauerleistung: 595 PS (437,5 kW) in 4.000 m  

Baujahr: 1935

Erstflug: 16. Dezember 1935

Besatzung: 1 Mann

 

Abmessungen:

Spannweite: 12,40 m

Länge: 10,00 m

größte Höhe:  3,50 m

Spannweite Höhenleitwerk: 4,22 m

maximale Rumpfbreite: 1,08 m

maximale Rumpfhöhe:  1,80 m

Propellerdurchmesser: 3,30 m

Propellerfläche: 8,55 m²

Spurweite: 2,30 m

Radstand: 7,45 m

Flügelfläche: 20,22 m²

V-Form: +2° 20’

Streckung: 7,60

Flügeltiefe: 1,72 m

Massen:

Leermasse: 1.875 kg

Startmasse normal:   2.250 kg

Startmasse maximal: 2.320 kg

Tankinhalt: 320 Liter

Schmierstofftank: 40 Liter

Flächenbelastung: 114,74 kg/m²

Leistungsbelastung: 3,46 kg/PS  (4,71 kg/kW)

Leistungen:

Höchstgeschwindigkeit in Bodennähe: 364 km/h

Höchstgeschwindigkeit in 4.500 m: 386 km/h

Reisegeschwindigkeit in  2.700 m: 363 km/h

Landegeschwindigkeit: 95 km/h

Gipfelhöhe: 7.200 m

Steigleistung: 9,8 m/s

Steigzeit auf 1.000 m: 1 min 45 sek

Steigzeit auf 4.500 m: 9 min

Steigzeit auf 6.000 m: 12,5 min

Reichweite normal: 650 km

Reichweite maximal: 720 km

Flugdauer: 2 h

Startstrecke: 224 m

Landestrecke. 260 m

Bewaffnung: zwei 7,9 mm Maschinengewehre MG 17 mit je 500 Schuss Nutzlast:  8 kg

Text: Eberhard Kranz

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