Segelflug – Aufwinde der Natur I

22.12.2008 JKLA
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Ungeahnte Höhen, Strecken von bis zu 1000 km, das ist Segelfliegen. Alles nur mit den Mitteln der Natur. Dabei gibt es für den Segelflugpiloten verschiedene Arten, um Höhe zu gewinnen. In diesem Bericht sollen die wichtigsten davon vorgestellt werden.

Ungeahnte Höhen, Strecken von bis zu 1000 km, das ist Segelfliegen. Alles nur mit den Mitteln der Natur. Dabei gibt es für den Segelflugpiloten verschiedene Arten, um Höhe zu gewinnen. In diesem Bericht sollen die wichtigsten davon vorgestellt werden.

Der Hangaufwind

Hangaufwind oder einfach Hangwind kann, wie der Name schon sagt, nur entstehen, wenn Wind mit entsprechend grosser Geschwindigkeit auf einen Berghang bläst. Dabei strömt die Luft des Windes über den Hang hinweg. Die aufsteigende Luft kann vom Segelflugpiloten als Aufwindquelle genutzt werden. Je höher man jedoch   über der Hangkante fliegt, desto schwächer wirkt sich der Hangwind aus. In den Alpen wird der Hangwind deshalb oft nur benutzt, um am Anfang eines Fluges die Arbeitshöhe zu erreichen. So einfach das Prinzip des Hangwindes erscheint, so gefährlich ist es ihn zu nutzen, wenn nicht ein paar grundsätzliche Regeln beachtet werden.

Hangwindschema (Grafik: Johannes Klaiber)

Ausweichregeln:

Ausweichregeln (Grafik: Johannes Klaiber)

Kurven:

Im Hangwind wird, anders als bei der normalen Thermik in Schleifen geflogen. Kurven werden immer vom Hang weg geflogen. Nie zum Hang hin eindrehen, es sei denn es ist ausreichend Abstand und Höhe vorhanden. Selbst wenn man meint, man hätte ausreichend Seitenabstand zum Hang, darf man die Kraft, mit der man während der Kurve zum Hang hingedrückt wird, nicht ausser Acht lassen.
Sinnigerweise wendet man am Besten an der Stelle, an der die besten Steigwerte herrschen, da so längere Zeit in der besser steigenden Luftmasse geflogen wird.

Blick nach links aus dem Cockpit einer LS-4 (Foto: Johannes Klaiber)

Geschwindigkeit:

Langsames, beziehungsweise zu langsames Fliegen am Hang ist um ein vielfaches gefährlicher, als in flachem Gelände, weil die Höhe gegenüber dem Boden meistens geringer ist. Ein Abkippen oder sogar Trudeln des Flugzeuges wäre hier lebensgefährlich. Die Geschwindigkeit sollte so gewählt werden, dass immer noch genügend Fahrtreserve vorhanden ist (bei den meisten Flugzeugen etwa 10 km/h schneller als normal, oder mehr). Bei Windscherungen oder plötzlich eintretenden starken Auf- oder Abwinden ist man froh um jede Fahrtreserve. Für das Fliegen in den Alpen oder ähnlichen Gebirgen ist das Beherrschen des Fliegens im Hangaufwind unerlässlich. Wegen des Schnees der oft auch im Sommer auf den Bergen liegt, sind andere Segelflugzeuge oft schwer zu erkennen. Farbmarkierungen in Signalfarben auf dem Rumpf und den  Tragflächen sind deshalb sehr wichtig. Auch das Antikollisionswarngerät FLARM ist für sicheres Fliegen in den Alpen unerlässlich. Der Hangaufwind wurde vor der Entdeckung des Thermikfluges auf der Wasserkuppe genutzt. Fritz Fliegauf stellte in Laucha mithilfe des Hangwindes den ersten Dauerflugrekord von 30 Stunden auf. Diese Disziplin wurde aber aufgrund der grossen Gefahr des Einschlafens in Deutschland verboten. angwind bildet die Basis, für einen fast unwirklich anmutenden Traum eines jeden Segelfliegers: Mit Hilfe der Wellenflugtechnik gelingt es dem Segelflugpiloten, immense Höhen meist über den Wolken mit faszinierenden Ausblicken und strahlender Sonne zu genießen. Der Aufstieg erfolgt meist erstaunlich ruhig in einem Aufwind der Superlative.

Aufwind finden unter einer Wellenwolke

Besonders in den Alpen, aber auch bei anderen Gebirgszügen treten oft faszinierende Wolken in Erscheinung. Von weitem erinnern sie an ein Ufo. Sie heissen in der Fachsprache cumulus lenticularis (oft einfach Welle genannt). Dieses faszinierende Phänomen tritt häufig bei einer Föhnsituation in den Alpen auf. Die Wolken werden dann als Föhnlinsen bezeichnet. Mithilfe des bei einer Welle entstehenden Aufwindes können viel grössere Höhen (sogar bis zu 10000 m)erreicht werden, als durch Hangflug oder normalen Thermikflug.

Cumulus Lenticularis (Bild: flickr.com, Brulama)

Entstehung einer Wellenwolke

Wellenwolken entstehen hauptsächlich im Lee eines Bergrückens. Ein vergleichbares Phänomen nutzen Möwen, die einem Schiff in festem Abstand folgen können, ohne an Höhe zu verlieren. Im nachfolgenden Bild ist hinter dem Bergrücken eine kleinere Erhebung zu sehen. Diese stellt den Auslöser der Wellenwolke dar. Die Luft wird nach dem Überströmen des Berghanges in eine Art Wellenbewegung versetzt. Dabei kommt es auf die Form des Bergrückens an.

Günstige Situationen zur Bildung einer Wellenwolke, abhängig von der Geländeform:

- Die Leeseite des Berges fällt sehr stark ab.
- Der Berg ist relativ glatt.
- Der Bergrücken ist sehr lang, sodass die Luft schlecht um ihn herum strömen kann.
- Der Bergrücken liegt quer zur Windrichtung.
- Dem Bergrücken folgt in nicht zu grossen Abstand ein zweiter.

Günstige Situationen zur Bildung einer Wellenwolke, abhängig von den meteorologischen Gegebenheiten:

-Die Luftmasse muss möglichst stabil sein.
-Auf Höhe des Bergrückens muss die Windgeschwindigkeit mindestens 15 kt gross sein.
-Die Windrichtung darf sich nicht verändern.
-Die Windgeschwindigkeit muss mit Zunahme der Höhe grösser werden.

Der Scorer-Parameter

Der Scorer-Parameter gibt Auskunft über die atmosphärischen Voraussetzungen für die Bildung einer Wellenwolke. Er muss mit steigender Höhe abnehmen, damit sich eine Wellenwolke bilden kann.

Formel zur Berechnung des Scorer-Parameters

l= Scorer Parameter
g= Erdbeschleunigung 9,81 m/s2 (beim Kopfrechnen 10 m/s2)
γ= Tatsächliche Temperaturabnahme in der jeweiligen Höhenschicht
γa= Adiabatische Temperaturabnahme
T= absolute Temperatur in Kelvin (Grad Celsius Wert + 273 K)
V= Windgeschwindigkeit

Der Scorer-Parameter nimmt also ab, wenn die Windgeschwindigkeit in höheren Luftschichten zunimmt, die Lufttemperatur relativ hoch bleibt und die Stabilität mit der Höhe abnimmt.
Nicht nur in den Alpen, sondern auch bei niedrigeren Gebirgszügen können Wellenwolken entstehen, zum Beispiel im Schwarzwald, Teutoburger Wald, Wesergebirge oder in den Vogesen.
Wenn bei einer dieser Wellenbewegungen das Kondensationsniveau erreicht wird, entsteht eine Wellenwolke. Das besondere an ihr ist, dass sie ortsfest ist, trotz des Windes, da sie ja erst durch den Wind gebildet wird. Es kann aber auch Wellenwolken geben, welche zwar existieren, aber keine Wolke zu sehen ist. Vergleichbar mit der Blauthermik. Dort ist ein Thermikschlauch vorhanden, eine Wolke aber nicht zu sehen.

Flugtaktik bei Leewellen

Die Schwierigkeit das Steigen einer Leewelle auszunutzen, hängt oft vom Relief des Geländes ab. Wellen bei niedrigeren Gebirgen sind in der Regel einfacher auszufliegen, als solche in höheren Gebirgen, wie zum Beispiel den Alpen, da dort oft zusätzlich Rotoraufwinde entstehen. Was man genau bei einem Wellenflug beachten muss, soll im Folgenden anhand des Alpenföhns erklärt werden:
Grundsätzlich sollte man sich sehr warm anziehen und ausreichend Sauerstoff mitnehmen. Hat man eine Welle entdeckt bzw. ist sich sicher, dass an einer bestimmten Stelle eine entsteht, so fliegt man an den Hang im Luv und steigt möglichst hoch, um dann gegen den Wind durch das Lee in den Aufwindbereich des Rotors vorzufliegen. Dort ist es sehr turbulent und enges Kreisen ist hier von Vorteil, da das Steigen meistens sehr eng und stark ist (8-10 m/s !!). Nach etwas Steigen hören die Turbulenzen plötzlich auf und es wird ganz ruhig. Dann ist die laminare Strömung der Wellenwolke erreicht. Jetzt muss noch das beste Steigen gefunden werden (ähnlich des Zentrierens in der Wolkenthermik). Dazu fliegt man am Besten Schleifen gegen den Wind. Dabei unbedingt immer den Standort mit Geländemerkmalen im Auge behalten. Ein Abtreiben in fallende Luftmassen oder in den Bereich der Wolkenbildung sollte vermieden werden. Das Steigen funktioniert ähnlich wie beim Hangflug (Ausweichregeln!). Auf jeden Fall muss man darauf achten, jederzeit ins Tal flüchten zu können. Der Bereich des Steigens neigt sich gegen die Luvseite des Berghanges mit zunehmender Höhe.

Föhmauer bei Kärnten (Bild: Johann Jaritz, GNU Lizenz)
Schema des Föhns (Quelle: Reichmann - Streckensegelflug, nachbearbeitet)

Das hier gezeigte Schema veranschaulicht die Windbewegung und die Wellenbildung beim Föhn. Die Luft überströmt einen Gebirgszug (1), muss dabei aufsteigen und kondensiert. Es bilden sich Wolken (Föhmauer). Danach sinkt die Luft wieder etwas ab. Es bildet sich ein Rotor, dieser erregt die Luftmassen über ihm, welche deshalb eine vertikale  Bewegung erfahren (2). Die Wellenwolken bilden sich. An deren Vorderkante kann der Segelflugpilot das erhoffte Steigen finden und ausnutzen. Durch weitere Gebirgszüge entstehen neue Wellenwolken (3). Speziell beim Föhn werden die Wellenwolken als Föhnlinsen bezeichnet.

Wellenwolken über den Alpen (Foto: Johannes Klaiber)
Wellenwolken über den Alpen (Foto: Johannes Klaiber)

In Kürze erscheint Teil II der grossen Reportage über Aufwinde im Segelflug. Lesen Sie dort alles Wissenswerte über Wolkenthermik.

Cumulus Wolken (Foto: Johannes Klaiber)

© Johannes Klaiber, fliegerweb.com

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