Messerschmitt Me 209

01.11.2014 EK
Messerschmitt Me209 Intro
Messerschmitt Me 209

Rekordflugzeug Me 209, Land: Deutschland Mit der Me 209 schaffte es Messerschmitt einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord zu erfliegen, der in dieser Klasse während mehr als 30 Jahren nicht überboten werden konnte. Spannweite: 7,80 m, Länge: 7,25 m, Geschwindigkeit: 755 km/h.

Am Internationalen Flugmeeting in Dübendorf glänzten die deutschen Flugzeuge vom 23. Juli bis zum 1. August 1937 mit hervorragenden Resultaten. Die Messerschmitt Bf 109 V13 mit der zivilen Kennung D-IPKY, die durch einen Daimler Benz DB 600A angetrieben und von Dipl.-Ing. Franke von der Erprobungsstelle Rechlin geflogen wurde, gewann den Steig- und den Sturzflugwettbewerb. Die Welt war erstaunt über den glanzvollen Auftritt der deutschen Flugzeuge. Was man dabei nicht wusste, dass es sich nicht um Serienmaschinen handelte, sondern um frisierte Vorführmodelle. Der Bluff hatte jedenfalls gewirkt und man war geneigt, weiter zu bluffen. Nach dem Wettbewerb erhielt Messerschmitt die Bf 109 V13 zurück. Dort wartete schon ein von Daimler Benz modifizierter Motor DB 601 A, der mit höherer Drehzahl, 100 oktanigem Treibstoff und einer Wasser-Methanol Einspritzung kurzzeitig 1.650 PS abgab. Allerdings war die Lebensdauer auf ca. 120 Betriebsminuten beschränkt, danach hatte der Motor nur noch Schrottwert. Gleichzeitig erhielt die Maschine einen aerodynamisch verbesserten Spinner, einen verkleinerten Kinnkühler und eine polierte Oberfläche. Nach Einbau des Motors und ein paar vorsichtigen Proberunden im Oktober 1937, denn man hatte nur einen Motor, erreichte am 11. November 1937 der Chefpilot der Bayrischen Flugzeugwerke Dr. Hermann Wurster vor den geladenen Zeugen der Fédération Aéronautique Internationale (FAI) über die 3 Kilometer Meßstrecke in 75 m Höhe eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 610,95 km/h. Das war ein neuer Geschwindigkeitsweltrekord für Landflugzeuge. Als Flugzeugtyp wurde die Messerschmitt Me 109 an die FAI gemeldet. Wieder wurde die Welt mit der neuen Höchstleistung eines deutschen Flugzeugs überrascht.

Messerschmitt Me 209 V1 (Archiv: Eberhard Kranz)

Die Me 109 musste das schnellste Flugzeug sein

Inzwischen hatte man bei Messerschmitt aus verschiedenen Quellen von den Vorhaben Ernst Heinkels gehört, auf eigenes Risiko ein neues Jagdflugzeug mit einer Geschwindigkeit von 700 km/h entwickeln zu lassen. Unter anderem wies Ernst Udet seinen Freund Willy Messerschmitt daraufhin, daß das Standardjagdflugzeug der Luftwaffe, die Bf 109 auch das schnellste Flugzeug zu sein habe. Bei Messerschmitt begann man sofort mit dem Projekt P.1059, das später die Me 209 wurde. Während die He 100 ein richtiges Jagdflugzeug darstellte, wollte man bei Messerschmitt von vornherein ein reines Rekordflugzeug zur Erzielung des absoluten Geschwindigkeitsweltrekordes entwickeln, das als Jagdflugzeug aber völlig ungeeignet war.

Messerschmitt Me 209 V1 (Archiv: Eberhard Kranz)

Hauptkonstruktionsmerkmale der Me 209

Die Me 209 war ein Tiefdecker in Ganzmetall-Schalenbauweise mit Normalleitwerk und einziehbarem Heckspornfahrwerk, das strukturell sich zwar an die Bf 109 anlehnte, sich aber trotzdem deutlich von ihr unterschied. Der Rumpf mit einem abgerundeten dreieckigen Querschnitt war aerodynamisch gut durchgearbeitet. Der Rumpfbug war förmlich um den DB 601 herum geschneidert worden. Die Kabine befand sich hinter dem Tragflügel, was zu Sichtproblemen nach vorn durch die lange Nase und nach unten durch den die Sicht versperrenden Tragflügel führte. Die Kabinenhaube war deutlich flacher als bei der 109, war aber ebenfalls zum Ein- und Aussteigen des Piloten nach Messerschmittart seitlich klappbar. Um den Stirnwiderstand so gering wie möglich zu halten, verzichtete man auf die Verwendung eines herkömmlichen Kühlers und baute stattdessen eine Oberflächenkühlung ein. Lediglich den Ölkühler legte man für einen normalen Luftdurchsatz aus und baute ihn als Ringkühler direkt hinter dem Propellerspinner im Rumpfbug ein. Die Verdampfungskühlung bereitete allerdings immense Schwierigkeiten. Das heiße Wasser-Dampfgemisch wurde vom Kühlkreislauf des Motors in die Kühlschleifen unter der Tragflächenhaut gedrückt, gab dabei seine Wärme an die Tragflächenoberfläche ab, was zu thermischen Belastungen und Verformungen der Tragflächenbeplankung führte, da die Temperaturen bis 100° C erreichen konnten. Anschließend sammelte sich die kondensierte abgekühlte Flüssigkeit im dichtgenieteten Tragflügel, um dann wieder in den Kühlkreislauf gedrückt zu werden. Während der Erprobung traten Verdampfungsverluste von 4 bis 7 Litern pro Minute auf, so dass man einen Zusatzwassertank mit 220 Litern Wasservorrat vor der Pilotenkabine einbauen mußte, um die Verluste ergänzen zu können. Der Kraftstofftank der vor der Pilotenkabine untergebracht war, hatte ein Volumen von 500 Litern, vom Wasser-Methanolgemisch zur Leistungssteigerung waren 50 Liter ebenfalls in einem Tank direkt hinter dem Motor vorhanden. Die einholmigen Tragflächen mit rechteckigem Aufriß entsprachen in ihrem Aufbau denen der Bf 109, allerdings hatte man auf die Vorflügel verzichtet. Landeklappen und die relativ kleinen Querruder waren blechbeplankt. Die Trimmklappen waren während des Fluges verstellbar. Die V Stellung der Tragflächen war mit 7,5° sehr kräftig ausgefallen. Zur Flügelwurzel hin waren die Tragflächen unter einem Winkel von 20° nach vorn vergrößert. Das Seitenleitwerk ragte unter dem Rumpf heraus und nahm den stählernen Schleifsporn auf. Die kleinen rechteckigen, außen abgerundeten Höhenflossen waren eine freitragende Ganzmetallkonstruktion. Die Trimmklappen waren während des Fluges verstellbar. Das Fahrwerk war im Gegensatz zur Bf 109 breitspurig ausgelegt und fuhr hydraulisch zum Rumpf hin ein. Dabei wurden die Haupträder im Unterrumpf und den Flügelwurzeln aufgenommen. Die Haupträder wurden hydraulisch gebremst. Die Fahrwerksschächte waren mit klappbaren Blechen komplett verkleidet.

Messerschmitt Me 209 V1 (Archiv: Eberhard Kranz)

Erprobung der Me 209

Insgesamt war der Bau von drei Prototypen vorgesehen. Im Juni 1938 war die Me 209 V1 mit der Werksnummer 1185 und der zivilen Kennung D-INJR fertiggestellt. Für die Flugerprobung war ein standardmäßiger Daimler Benz DB 601 A mit einer Startleistung von 1.175 PS in die Maschine eingebaut.
Am 1. August 1938 startete Dr. Hermann Wurster zum Erstflug, der über 20 Minuten ging. Während des Fluges stellte er Probleme mit der Kühlung fest, landete die Maschine aber sicher. Messungen ergaben, daß der Flüssigkeitsverlust, wie bereits beschrieben, zwischen 4-7 Liter pro Minute betrug. Die Flugeigenschaften bezeichnete er als problematisch, die Maschine ließ sich äußerst schwierig fliegen. Bei weiteren Testflügen stellte man eine Instabilität um die Längsachse fest, die man durch die Vergrößerung des Seitenleitwerks beheben wollte. Weitere Mängel waren die extrem lange Startstrecke, die schlechten Starteigenschaften allgemein, eine Instabilität, die sich besonders beim Steigflug unvorteilhaft äußerte und die Eigenschaft der Maschine, die sich beim Fliegen von engen Kurven auf den Rücken rollen wollte. Fritz Wendel nannte die Me 209 immer nur ?böses kleines Biest? und unter der Hand sogar ?eine Missbildung?. Schließlich entschloss man sich bei Messerschmitt, die Tragflächen komplett zu überarbeiten. Im Februar 1939 erhielt dann die Me 209 V1 neue Tragflächen mit einer geringeren V-Stellung. Inzwischen war die Me 209 V2 mit der zivilen Kennung D-IWAH fertiggestellt. Sie hatte schon das größere Seitenleitwerk und die neuen Tragflächen erhalten und startete am 24. Februar 1939 zu ihrem Erstflug. Bereits am 4. April ging die Maschine bei einem Versuchsflug mit Fritz Wendel wegen Motorproblemen bei einer Notlandung zu Bruch und mußte abgeschrieben werden. Die thermischen Probleme waren nicht lösbar und so entschloss man sich auf die Rückgewinnung des Kühlwassers in den Tragflächen zu verzichten und den Wasserverlust von 9 -10 Litern pro Minute einfach komplett aus dem Vorratsbehälter zu ersetzen, der dafür aber deutlich auf 450 Liter vergrößert werden mußte, um genügend Kühlwasser zur Verfügung zu haben.

Messerschmitt Me 209 V1 (Archiv: Eberhard Kranz)

Der Geschwindigkeitsrekord der Me 209

Mittlerweile drängte man Messerschmitt seitens des RLM massiv mit dem Angriff auf den absoluten Geschwindigkeitsrekord zu beginnen, da Hans Dieterle am 30. März mit der He 100 V8 den absoluten Geschwindigkeitsrekord mit 746,606 km/h aufgestellt hatte und es für die Propaganda schwierig zu erklären war, warum ein Heinkelflugzeug, das nicht bei der deutschen Luftwaffe im Einsatz war, schneller als die Bf 109 sein sollte. Insgesamt hatte man bis dahin mit der Me 209 V1 und V2 etwa 20 Flüge durchgeführt. Willi Messerschmitt hatte eigentlich die Me 209 V3 (D-IVFP) für den Rekordflug vorgesehen, da die Maschine sich aber erst im Rohbau befand, entschied man, mit der V1 den Weltrekord anzugreifen.
Man baute den hochfrisierten DB 601 ARJ (auch als DB 601 ReV bezeichnet) in die Me 209 V1 ein und wartete auf günstige Wetterbedingungen. Als Pilot hatte man Flugkapitän Fritz Wendel vorgesehen. Die Maschine wurde sorgfältig gespachtelt und verschliffen, um wirbelbildende Kanten zu vermeiden. Die blaue Lackierung wurde erst später angebracht. Am 26. April 1939 gelang es Fritz Wendel mit einer Durchschnittgeschwindigkeit von 755,138 km/h den alten Rekord um 8,532 km/h zu überbieten und den absoluten Geschwindigkeitsweltrekord für Messerschmitt zu erfliegen. In der FAI-Rekordliste erschien als Flugzeugtyp eine Me 109 R. Der sofortige Versuch Heinkels, den neuen Rekord mit der He 100 erneut anzugreifen, wurde am 12. Juli 1939 durch Generalingenieur Lucht vom RLM mit den Worten: ?das RLM sei an einem weiteren Rekordflug nicht interessiert?, abgelehnt.

Messerschmitt Me 209 V4 (Archiv: Eberhard Kranz)

Die Me 209 V4

Inzwischen war die Me 209 V3 fertig gestellt worden, sie erhielt einen normalen DB 601 N und diente der weiteren Erprobung der Oberflächenkühlung. Als sich nach Kriegsbeginn herausstellte, dass die Bf 109 nicht allen Anforderungen gewachsen war, begann man bei Messerschmitt mit dem Versuch, aus dem Rekordflugzeug doch noch einen neuen Jäger abzuleiten. Dazu baute man die Me 209 V4, die mit der zivilen Kennung D-IRND bereits am 12. Mai 1939 zu ihrem Erstflug gestartet war, zu einem provisorischen Jagdflugzeug um, indem man eine 20 mm Motorkanone MG FF/M und zwei 7,62 mm Maschinengewehre MG 17 als Bewaffnung einbaute. Als Triebwerk kam ein DB 601N mit 1.175 PS Startleistung zum Einbau. Die Spannweite wurde auf 10,04 m vergrößert und die Seitenflosse neu gestaltet. Ab 1940 trug sie das militärische Kennzeichen CE + BW und war als ?rote Vierzehn? mit Tarnanstrich und einer rotgrünen Schlange auf der Motorverkleidung unterwegs. Die erreichten Flugleistungen lagen nicht über denen der Bf 109 F und die Maschine war weiterhin sehr schwierig zu fliegen. Deshalb wurde Anfang 1941 die Entwicklung der Me 209 gestoppt, bis man 1943 die Me 209 als Konkurrenzentwurf zur Ta 152 völlig überarbeitete und schließlich die Me 209 V5 mit einem DB 603 G mit 2.000 PS Startleistung am 3. November 1943 mit der Kennung SP + LJ zum Erstflug startete. Die eigentliche Rekordmaschine Me 209 V1 sollte in der Deutschen Luftfahrtsammlung in Berlin ausgestellt werden, wurde aber mit weiteren Teilen der Sammlung während des Krieges in das besetzte Polen ausgelagert. Heute kann man im Luftfahrtmuseum in Krakau den erhalten gebliebenen Rumpf ohne Motor besichtigen. Der absolute Geschwindigkeitsrekord von 755,138 km/h hatte über 30 Jahre Bestand und wurde erst 1969 gebrochen.

Messerschmitt Me 209 V5 (Archiv: Eberhard Kranz)

Technische Daten: Messerschmitt Me 209

Verwendung: Rekordflugzeug
Triebwerk: ein flüssigkeitsgekühlter hängender 12 Zylinder V Motor Daimler Benz DB 601 ARJ mit verstellbarem Dreiblatt-Metall-Propeller Bauart VDM
Startleistung: 1.175 PS (864 kW)
Dauerleistung: 1.020 PS (750kW) in 4.500 m
kurzzeitige Höchstleistung: 1.800 PS (1.324 kW) bei zusätzlicher Einspritzung von einem Wasser-Methanol-Gemisch
Rekordleistung über eine Minute: 2.332 PS ( 1.715 KW)
Besatzung: 1 Mann
Erstflug: 1. August 1938

Spannweite: 7,80 m
Länge: 7,25 m
größte Höhe: 3,40 m
Spannweite Höhenleitwerk: 2,34 m
Propellerdurchmesser: 2,90 m
Propellerfläche: 6,61 m²
Spurweite: 2,70 m
Flügelfläche: 10,60 m²
V-Form: ursprünglich 7,5°, später nach Umbau im Februar 1939 5°
Flügelstreckung: 5,74
Leermasse: 2.050 kg
Startmasse normal: 2.515 kg
Startmasse maximal: 2.580 kg
Tankinhalt: 500 Liter
Schmierstoffbehälter: 25 Liter
Kühlwassertank: 450 Liter
Flächenbelastung: 243,40 kg/m²
Leistungsbelastung: 1,43 kg/PS (1,95 kg/kW)
Höchstgeschwindigkeit in Bodennähe: 610 km/h
Höchstgeschwindigkeit in 500 m: 755,136 km/h
Marschgeschwindigkeit in 4.500 m: 620 km/h
Startgeschwindigkeit: 190 km/h
Landegeschwindigkeit: 170 km/h
Gipfelhöhe: 11.000 m
Steigleistung: 19,0 m/s
Steigzeit auf 1.000 m: 0,9 min
Steigzeit auf 5.000 m: 5,0 min
Reichweite normal: 600 km
Reichweite maximal: 680 km
Flugdauer: 1 h
Startstrecke: 550 m
Landestrecke: 490 m

Text: Eberhard Kranz

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