Zeppelin-Staaken E.4 20

01.11.2014 EK
Zeppelin-Staaken E.4/20
Zeppelin-Staaken E.4/20 (Archiv: Eberhard Kranz)

Zeppelin-Staaken E.4 20, Land: Deutschland Der Zeppelin-Staaken E.4 20 war ein Riesenflugzeug, das den aufkommenden Passagierverkehr nach dem Ersten Weltkrieg hätte revolutionieren können. Spannweite: 31,0 m, Länge: 16,60 m, Geschwindigkeit: 236 km/h.

Mit der immer mehr wachsenden Leistungsfähigkeit der alliierten Jagdflugzeuge wurde der Einsatz der deutschen Riesenflugzeuge (R-Flugzeuge), die als Bomber eingesetzt wurden, immer fragwürdiger. Die R-Flugzeuge waren verspannte Doppeldecker mit vier bis sechs Motoren, die sowohl zentral, also alle im Rumpf als auch dezentral auf und zwischen den Tragflächen eingebaut waren. Bei der zentralen Anordnung, wie bei den Modellen von Linke-Hofmann, AEG, DFW oder Siemens-Schuckert arbeiteten die im Rumpf befindlichen Motoren auf ein gemeinsames Sammelgetriebe, das dann zwei Luftschrauben antrieb oder gemeinsam einen am Bug befindlichen überdimensional großen Propeller antrieben. Leistungsmäßig schafften diese Riesen eine Höchstgeschwindigkeit von 130-140 km/h und eine Gipfelhöhe von 3000-3500 m, dabei beförderten sie eine Bombenlast von 500-2000 kg. Um sich gegen die immer stärker werdende Jagdabwehr zu verteidigen, wurden schließlich bis zu 6 bewegliche Maschinengewehre in verschiedene Waffenstände eingebaut, was die Zahl der Besatzungsmitglieder bis auf 9 Mann ansteigen ließ. Die Idflieg (Inspektion der Fliegertruppen und des Flugwesens), die Beschaffungszentrale des Kriegsministeriums für sämtliches Luftfahrtgerät, forderte deshalb Mitte 1917 von der Luftfahrtindustrie neuartige Bombenflugzeuge, die eine Mindestgeschwindigkeit von 190 km/h erreichen sollten, um mit der Geschwindigkeit der eingesetzten gegnerischen Jagdflugzeuge gleichziehen zu können. Bei den Zeppelinwerken in Staaken erhielt Dr.-Ing. Adolf Rohrbach, der neben Claude Dornier sich intensiv mit dem Bau von Ganzmetallflugzeugen beschäftigt hatte, als Leiter der Entwicklung für die R-Flugzeuge vom Technischen Direktor Professor Alexander Baumann, der mit der VGO I bereits 1915 das erste Riesenflugzeug konzipiert hatte, den Auftrag, neuartige R-Flugzeuge zu entwickeln. Vorher war Rohrbach beim Luftschiffbau Zeppelin in Seemoos tätig gewesen, wo er mit Claude Dornier zusammen arbeitete. Beide verstanden sich aber überhaupt nicht, so dass Rohrbach 1917 zu Zeppelin-Werken nach Staaken wechselte. Es entstanden unter seiner Federführung die Entwürfe Staaken R VIII und R IX, die einer völlig neuen Konzeption folgten. Beide waren Ganzmetall-Eindecker mit einer Spannweite von 55 m deren Antrieb acht Daimler D IVa oder Maybach Mb IVa mit einer Startleistung von je 250 PS besorgen sollten. Die Konstruktion der Flugzeuge, die fast identisch waren, wurde im späten Frühjahr 1918 abgeschlossen. Von der R VIII bestellte die Idflieg im Juli 1918 noch drei Exemplare, deren Bau aber nicht mehr begonnen wurde. Nach dem Kriegsende übernahm Professor Baumann wieder seine Professur an der Technischen Hochschule in Stuttgart und schied in Staaken aus. Dr. Rohrbach wurde zu seinem Nachfolger und gleichzeitig zum Chefkonstrukteur ernannt. Im Mai 1919 erhielt Rohrbach vom Generaldirektor des Zeppelin-Konzerns Alfred Colsmann den Auftrag zum Bau eines viermotorigen Verkehrsflugzeugs in Ganzmetallbauweise, das auf der Strecke Berlin-Friedrichshafen eingesetzt werden sollte. Sofort begann Rohrbach mit seinem Entwicklungsteam mit der Projektierung, wobei man auf die Arbeiten an den Riesenflugzeugen R VIII und R IX zurückgriff.

Zeppelin-Staaken E.4/20 (Archiv: Eberhard Kranz)

Hauptkonstruktionsmerkmale der Zeppelin-Staaken E-4/20

Das Flugzeug, das die Bezeichnung E.4/20 erhielt, war ein freitragender viermotoriger Schulterdecker in Ganzmetallbauweise mit Normalleitwerk und festem Heckradfahrwerk. Der aerodynamisch sehr gut durchgearbeitete Rumpf hatte einen rechteckigen Querschnitt und verfügte auf jeder Seite über drei große rechteckige Fenster mit abgerundeten Ecken, die den Passagieren freien Blick nach unter ermöglichten. Die Fenster waren 1,10m lang und 0,52 m hoch und mit bruchsicherem Glas versehen. Die Kabine bot den Passagieren in 12 bequemen Einzelsesseln Platz, zu jedem Sessel gab es einen an der Seitenwand montierten Klapptisch. Für jeden Sitz gab es eine regelbare Frischluft- und Warmluftzufuhr. Der Zugang zur Maschine für die Piloten und die Passagiere erfolgte durch eine Tür auf der rechten Flugzeugseite. Im hinteren Teil der Kabine waren die Toilette und ein Waschraum untergebracht. Zusätzlich gab es hier noch einen Gepäck- und Frachtraum. Vor der eigentlichen Passagierkabine war ein weiterer Gepäckraum, in dem sich eine kleine Pantry befand, wo den Passagieren Getränke und Kleinigkeiten zum Essen gereicht wurden. Die Passagierkabine war schallgedämmt und mit hellem Stoff verkleidet. Durch die Schulterdeckerauslegung war der Kabinenboden durchgängig eben und die Kabinenhöhe erlaubte ein aufrechtes Stehen, auch für sehr große Fluggäste. Das Seitenleitwerk war dreieckig und war an seiner Basis 4,55 m lang. Lediglich die Ruder waren mit Stoff bespannt, ansonsten war die E.4/20 eine reine Ganzmetallkonstruktion. Das Fahrwerk verfügte über zwei zwillingsbereifte Haupträder, die mechanisch abbremsbar waren und einen am Heck befestigten gefederten Schleifsporn aus Stahl. In seiner Auslegung war das Flugzeug so modern und so richtungweisend neu, daß die Interalliierte Überwachungs-Kommission, in der Vertreter der Siegermächte Frankreich, Großbritannien, USA und Japan die Einhaltung der restriktiven Anordnungen für das besiegte Deutsche Reich auf dem Gebiet der Luftfahrt überwachten, mit dem Entwurf nichts anzufangen wussten, denn ein solches Flugzeug gab es bisher noch nicht.

Zeppelin-Staaken E.4/20 (Archiv: Eberhard Kranz)

Flugerprobung der Zeppelin-Staaken E-4/20

Im September 1920 war das Flugzeug fertig gestellt, obwohl sein Bau von der Interalliierten Überwachungs-Kommission (Ilük) kritisch begleitet wurde, die bereits bei Überprüfung der Konstruktionsunterlagen ein Bauverbot verhängen wollte, sich dann aber von Generaldirektor Colsmann überzeugen ließ, den Bau vorerst zu gestatten und erst später über das Schicksal des Flugzeuges zu entscheiden. Am 9. November 1920 startete Carl Kuring mit der Maschine zum Erstflug, wobei es zu keinerlei Problemen kam. Bei weiteren Testflügen erreichte die Maschine mit gedrosselten Motoren eine Geschwindigkeit in Bodennähe von 211 km/h, mit Vollgas sogar von 225 km/h.

Zeppelin-Staaken E.4/20 (Archiv: Eberhard Kranz)

Beschreibung vom Konstrukteur Adolf Rohrbach

Im Flugsport 1921 Heft 12 Seiten 306-313 beschrieb Adolf Rohrbach später seine Konstruktion. Die Beschreibung ist sehr interessant und wird hier kurz zusammengefasst wiedergegeben: ?Das Flugzeug wurde in der Zeit von Mai 1919 bis September 1920 gebaut. Das Leergewicht lag bei 6.072 kg, hätte sich aber nach den dann vorliegenden Erfahrungen wesentlich senken lassen. Bei einem Fluggewicht von 8.500 kg und einer Flügelfläche von 106 m² hat die Maschine eine Flächenbelastung von 80 kg/m², extrem hoch für damalige Verhältnisse. Bei einer Drosselung von 100 U/min unter die Vollgasdrehzahl wurden 211 km/h Geschwindigkeit in Bodennähe erreicht. Das viermotorige Flugzeug war ein nahezu freitragender Hochdecker ganz aus Metall. Die Motoren ruhten auf kräftigen Konsolen aus Duraluminium-Profilen am Vorderrand des Flügels. In dem dicken Flügel befand sich ein Kriechgang, an der Vergaserseite jedes Motors war Raum ausgespart, so daß ein Monteur kleinere Störungen hätte im Flug beheben können. In dem Kriechgang waren auch die Seilzüge für Querruder und Vergaser angeordnet sowie die Benzinleitungen, was die Wartung erheblich erleichterte. Die Kraftstoffbehälter für sechs Stunden Vollgasflug hatte man ebenfalls im Flügel untergebracht. Für Flügel, Rumpf, Leitwerk und Motorträger diente Duraluminium als Baustoff. Die von den Bauteilen aufzunehmenden Kräfte wurden durch die Außenhaut übertragen, die mit aufgenieteten Versteifungen versehen war. Den Hauptteil des Flügels bildete ein starker, über die ganze Spannweite durchlaufender Hohlkastenträger. An die Vorder- und Hinterseite des Hohlkastenträgers waren Fachwerkrippen angesetzt und teils mit dünnen Hautblechen, teils mit Stoff bespannt. Da bei der Konstruktion noch eine gewisse Unsicherheit bezüglich der Beanspruchung des hohlen Kastenträgers bestand, wurden auf jeder Seite zwei Abfangkabel unterhalb des Flügels angeordnet, damit der Flügelträger während des Fluges nur geringen Belastungen ausgesetzt war. Die Spannweite betrug 31 m, die Flügeldicke 0,6 m und die Streckung 9,1. Das sehr günstige Seitenverhältnis verminderte den induzierten Widerstand des Flügels soweit, daß sein Gesamtwiderstand trotz der Abfangkabel noch geringer als bei völlig freitragenden Flügeln dieser Spannweite war. Das Verhältnis von Auftrieb zu Widerstand erreichte deshalb den ungewöhnlichen Wert von 11,5. Zur Innenversteifung des Rumpfes dienten Querwände, deren außenliegende Flansche auf ihrer ganzen Länge mit der Außenhaut vernietet waren. Die beiden Querwände, die Rumpf und Flügel verbanden, hatte man besonders stark ausgeführt. Die beiden Piloten saßen nebeneinander im vorderen Teil des Rumpfes über den Fluggästen. Das Flugzeug hatte eine Doppelsteuerung. Auf Kurzstrecken konnten 18, sonst 12 Reisende befördert werden. Nach hinten schlossen sich Toiletten sowie Räume für die Funkanlage, für Post und Gepäck an. Der vordere Raum des Rumpfes stand - soweit er nicht für Gepäck und Fracht benötigt wurde ? den Reisenden während des Fluges zur Verfügung. Höhen-, Seiten- und Querruder waren mit aerodynamischen Ausgleichsflächen versehen. Die Stabilität des Flugzeuges war so gut, daß nur geringe Ruderausschläge und Steuerkräfte notwendig waren. Das einfach konstruierte Fahrgestell hob sich wohltuend von den vielrädrigen Fahrgestellen der meisten Groß- und Riesenflugzeuge ab. Die hohe Flächenbelastung mit einer Abhebe- und Landegeschwindigkeit von etwa 110 km/h mußte beachtliche Belastungen des Fahrwerkes mit sich bringen. Die Anschwebegeschwindigkeit zur Landung lag bei etwa 130 km/h. Zwei am Rumpf angelenkte Streben der Räder wurden mit Hilfe teleskopartig verschiebbarer Rohre gegen den Tragflügel abgestützt. Hätten sich mit dem Fahrgestell bei Landegeschwindigkeiten von 110 km/h bis 130 km/h im praktischen Flugbetrieb keine Schwierigkeiten ergeben, sollte die Flächenbelastung und damit die Geschwindigkeit weiter gesteigert werden. Der Auslauf der Staaken lag zwischen 150 m und 200 m.?
Zitiert nach: Wolfgang Wagner ?Der deutsche Luftverkehr ? Die Pionierjahre 1919-1925? Bernard & Gräfe Verlag Koblenz 1987, Seite 125 f. Soviel zur Beschreibung der E.4/20 durch ihren Chefkonstrukteur.

Zeppelin-Staaken E.4/20 (Archiv: Eberhard Kranz)

Schicksal der Zeppelin-Staaken E-4/20

Das weitere Schicksal der Maschine ist schnell erzählt: Die Interalliierte Überwachungs-Kommission kam schnell zu dem Ergebnis, daß das Flugzeug ein verkappter Bomber sei und ordnete die Zerstörung an. Trotz aller Bemühungen Alfred Colsmanns wurde bereits am 21. November 1920, nur 12 Tage nach dem Erstflug, die E.4/20 zerschlagen und parallel mit ihr eine kleinere zweimotorige Maschine, von der keine Bezeichnung und keinerlei Daten überliefert sind. Damit war das Ende der Zeppelin-Werke in Staaken besiegelt, obwohl die Werkleitung noch vergeblich versuchte, durch den Bau von Booten aus Duraluminium den Betrieb aufrecht zu erhalten. Die E.4/20 war in ihrer Auslegung ihrer Zeit um viele Jahre voraus und hätte dem Luftverkehr gewaltige Impulse geben können, da sie bereits über all die technischen Möglichkeiten verfügte, die später bei allen viermotorigen Verkehrs- und Militärflugzeugen im In- und Ausland zum Standard wurden und heute noch gelten. So begann aber der Luftverkehr nach dem Krieg in Deutschland 1919 mit umgebauten Militärflugzeugen, die nur als Provisorien zu sehen sind, bis Hugo Junkers mit der wesentlich kleineren F-13 das erste, oder unter dem Aspekt der E.4/20, das zweite echte Verkehrsflugzeug in Ganzmetallbauweise schuf.

Zeppelin-Staaken E.4/20 (Archiv: Eberhard Kranz)

Technische Daten: Zeppelin-Staaken E.4/20

Verwendung: Verkehrsflugzeug
Land: Deutschland
Triebwerk: vier wassergekühlte stehende Sechs-Zylinder Reihenmotoren Maybach Mb.IVa mit festen Zweiblatt-Holzpropellern mit Metallkante Modell Heine
Startleistung: je 245 PS (180 kW)
Dauerleistung: je 190 PS (139,7 kW) in 3.000 m
Besatzung: 3-5 Mann
Passagiere: 12-18
Baujahr: 1920
Erstflug: 9. November 1920

Spannweite:31,00 m
Länge:16,60 m
größte Höhe:4,50 m
Spannweite Tragflächenmittelstück:9,42 m
Spannweite Höhenleitwerk:5,40 m
maximale Rumpfbreite:1,32 m
maximale Rumpfhöhe:2,58 m
Propellerdurchmesser:2,50 m
Propellerfläche:4,91 m²
Durchmesser Hauptfahrwerkräder:1,15 m
Spurweite:4,25 m
Radstand:9,42 m
Flügelfläche:106,00 m²
V-Form:+2°15?
Pfeilung der Flügelvorderkante:7° 55?
Streckung:9,07
Massen:TBD
Leermasse:6.072 kg
Nutzlast maximal:2.150 kg
Startmasse normal:8.500 kg
Startmasse maximal:9.120 kg
Tankinhalt:980 Liter
Schmierstofftank:80 Liter
Flächenbelastung:86,04 kg/m²
Leistungsbelastung:9,31 kg/PS (12,66 kg/kW)
Leistungen:TBD
Höchstgeschwindigkeit mit gedrosselten Motoren in Bodennähe:211 km/h
Höchstgeschwindigkeit mit Vollgas in Bodennähe:225 km/h
Höchstgeschwindigkeit in 3.400 m:236 km/h
Reisegeschwindigkeit in 3.400 m:200 km/h
Landegeschwindigkeit:130 km/h
Gipfelhöhe:3.490 m
Reichweite normal:1.200 km
Flugdauer:6 h
Startstrecke:240 m
Landestrecke:200 m

Text: Eberhard Kranz

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